An Nerven sägen

Eintrittskarte Nervensäge
Vom Nachkriegsdeutschland bis weit in die siebziger Jahre hinein dominierte auf Deutschlands Bühnen und vor den Film- und Fernsehkameras ein ganz bestimmter Komik-Stil, für den ein augenzwinkerndes „Fünf-Zentimeter-neben-der-Rolle-Stehen“ kennzeichnend war. Der 1. Grundsatz der Komik lautet ja bekanntermaßen „Something must go wrong“ – Komiker spielen also meistens geschundene, vom Leben stark gebeutelte Charaktere, und so scheint es logisch, dass die Komiker, die in den 50er und 60er Jahren Karriere machten, ihrem Publikum mit einem Augenzwinkern signalisierten, dass ja in Wirklichkeit „alles nicht so schlimm“ war. Komiker schufen sich ihre Kunstfiguren, deren Eigenschaften und Eigenheiten sie jeder Rolle aufzwangen, die sie zu spielen hatten. Die Karriere eines grandiosen, nichtsdestoweniger darstellerisch stark limitierten Komikers wie Heinz Erhardt wurde durch diese Konvention überhaupt erst möglich.
Warum jedoch ein ganz ausgezeichneter Schauspieler wie Dieter Hallervorden im Jahre des Herren 2007 auf diesem mittlerweile vollkommen verschnarchten Mittel beharrt, entgeht mir vollkommen. Noch dazu, wenn er darauf insistiert, es in einem Stück wie „Die Nervensäge“ anzuwenden, in dem er einen Menschen in einer existenziellen Notlage zu spielen hat: Einen Mann, der sich wegen der Trennung von seiner Frau in einem Hotelzimmer umzubringen versucht, und dabei einen im Nachbarzimmer residierenden Auftragskiller vollkommen aus dem Konzept bringt. Wenn man das existenzielle aus der Notlage dieses Menschen heraus nimmt und es durch „Alles halb so schlimm, ich bin’s doch, euer Dieter!“ ersetzt, entzieht man dem Geschehen auf der Bühne nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern auch die Komik.
Schade um das Stück. Schade um die tollen Kollegen, die sich am beharrlich an ihnen vorbei spielenden Hallervorden entlang im Schweiße ihres Angesichts um Schadensbegrenzung bemühten. Schade um den ausverkauften Zuschauerraum, in dem sich die Begeisterung in Grenzen hielt: „Früher war er aber besser…“
Nein. Früher war er genauso. Er könnte auch anders. Das ist das Problem.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert