Vergiftete Bratwurst

Auf der Rückseite der Reeperbahn hat Matt Wagner an Hand des Herrenklospruchs „Nazis geht sterben“ den typischen St. Pauli-Fan auf seine sympathische Quintessenz eingedampft:

In ihm steckt so etwas wie die politische Essenz des klassischen St.Pauli-Fans: Er ist durch und durch antifaschistisch, möchte diese Einstellung aber selbst gegen Rechte möglichst nicht mit einfacher körperlicher Gewalt durchsetzen. Also gibt er allen Nazis einfach einen gut gemeinten Rat, den sie doch bitte tunlichst selbst in die Tat umsetzen sollen: „Geht sterben.“

Der typische Hertha-BSC-Fan (irgendwann im Pleistozän auch „Frosch“ genannt) denkt und handelt anders. Er teilt die Welt in „Freunde“ (Hertha-Fans) und „Feinde“ (Rest der Welt), deren umgehende Vernichtung – gern auch durch Gewaltanwendung – er jederzeit anstrebt. Er weiß jedoch um die prinzipielle Gesetzeswidrigkeit dieses Wollens und ist nicht bereit, die daraus resultierende Verantwortung bzw. gar deren Konsequenzen zu tragen. Als Beleg möchte ich einen vor einigen Jahren im Olympiastadion neben mit sitzenden Herren in vollem Hertha-Ornat zitieren, der mit einer skandalös parteiischen Entscheidung des Unparteiischen (nichtgegebener Freistoß nach Rempelei in Höhe der Mittellinie), derart unzufrieden war, dass es ihn vom Sitz riss und er fäusteschwingend ein „Gebt dem Schiedsrichter eine Bratwurst mit Gift!“ Richtung Spielfeld brüllte.
So beeindruckend die Komplexität dieses wirklich in Sekundenbruchteilen konzipierten und formulierten Idiotenkomplotts auch sein mag, zeigt es letztlich neben der konsequenten Hinwendung des Hertha-Fans zum Nihilismus nur, dass er auf einer permanenten, aussichtslosen Queste befindet, um Stellvertreter zu finden, die statt seiner sein Wollen in die Tat umsetzen. Der Erfolg seiner Suche wird ihm jedoch durch sein Weltbild verwehrt, da sie ja – per definitionem – ausschließlich im Lager der „Feinde“ zu finden wären. Folglich ist der Hertha-Fan ein unrealistischer Visionär, was allein schon durch die Tatsache zu beweisen ist, dass der o.g. Schiedsrichter (Herr Fandel, wenn ich mich recht entsinne) noch am Leben und bei bester Gesundheit ist.
Der pragmatische, laut Matt Wagner Gewalt grundsätzlich ablehnende St. Pauli-Fan hätte vermutlich „Eyh, Schiri, tu dir ma ’n büschen Gift auf die Bratleiste!“ gerufen. Die Frage ist jetzt: Wären seine Erfolgschancen größer gewesen? Hätte Fandel dieser Aufforderung eventuell Folge geleistet?

[tags]Fußball, Hertha BSC, Gehirninsuffizienz[/tags]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert