Bouillon!

Was für ein Scheiss-Tag! Da kommt man eine halbe Stunde zu spät ins Büro, weil man 40 Minuten auf eine 30 Sekunden dauernde Routine-Untersuchung bei der Orthopädin warten musste, wird von einer Praktikantin begrüßt, die gerade dabei ist, die Geschichte der schlechten Laune vollkommen neu zu schreiben, will dann seine Telefonliste abarbeiten und stellt zur eigenen Überraschung fest, dass alle (ALLE!) 8 (ACHT!) Leute, die auf der Liste stehen, bereits „im Wochenende“ (IM WOCHENENDE!) sind. Freitag vormittag um 10 Uhr 30. Ist die 4-Tage-Woche eingeführt worden, und ich hab wieder nix davon mitbekommen?
Ich erspare der sensiblen Leserschaft der Netzecke die weiteren Unbillen meines Tages: die steindummen, talentfreien Vollidioten, die meine Ohren abzuknabbern versuchten, die Texte, die sich meinen immer matter werdenden Bearbeitungsversuchen entzogen, die kreuzdämlichen Cold-Caller, die sogar zu doof waren, meine Beleidigungen zu verstehen… zum frühest möglichen Zeitpunkt eilte ich nach Hause, um Trost zu suchen bei der entzückendsten Ehefrau, der geduldigsten Gemahlin von allen… die sich zu Tode erschöpft von einem ähnlich harten Tag bereits zurückgezogen hat. Was jetzt? Die Rotweinflasche lockt…
Nein. Wenn es etwas gibt, was den geschundenen Menschen wieder aufrichtet, dann ist es eine gescheite Kochsession. Bouillon ist alle. Wir brauchen Bouillon. Wir kochen Bouillon!
Um die Ecke geflitzt, der Metzger des Vertrauens hat noch offen, ein paar Scheiben Rinderhesse müssen mit, eine Handvoll Kalbsknochen gibt er großzügig dazu, in der Schwarzen Olive stopft Mustafa mir das nötige Wurzelwerk in die Tüte und ich bin wieder daheim. In der Küche. Fleisch und Knochen gewaschen, in den Suppentopf gelegt, Wasser draufgeschüttet und die Hitze auf halb gedreht. Nicht volle Pulle, langsam erhitzen, das macht die Brühe voller und klarer. Sellerie, Möhren, Lauch und Zwiebel werden geputzt und in den Topf geworfen, das Gewürz-Ei wird geladen mit Petersilie, Lorbeer, Knoblauch, Nelkennägeln und Piment, aber noch nicht hineingehängt. Erst wird das Unwichtige vom Wichtigen getrennt, es wird abgeschäumt. Wenn man nicht gleich hitzemäßig Vollgas gibt, dann kann man Trübstoffe und Schmutz ganz einfach mit der Schaumkelle abheben, und was schließlich aufkocht, ist klare, reine Brühe… so soll’s doch sein. Jetzt wird gesalzen und die Gewürze werden reingehängt…
Und langsam, ganz langsam füllt sich die Wohnung mit dem Aroma der werdenden Bouillon. Der saftigen, aromatischen Brühe, die die Basis für viele zukünftige Mahlzeiten werden wird und jetzt schon den Odeur der Erschöpfung durch den Duft der Verheißung ersetzt. Jetzt – endlich! – schwindet mein Hunger und ich bekomme Appetit!
Die Bouillon ist noch Stunden von der Vollendung entfernt, aber im Kühlschrank sind noch Eier. Lauch und Pilze finden sich, ein schnelles Omelette, wunderbar! Wohlig gesättigt öffne ich den Rotwein. Sein Aroma und das der Bouillon vermischen sich, bis letztere denn fertig sein wird. Mir geht es wieder gut.
Kochen ist eine große Gnade. Wer kochen darf, dem geht’s nicht schlecht.

[tags]Kochen, Bouillon[/tags]

3 Gedanken zu „Bouillon!

  1. Und wie das hier riecht! Eine heiße Suppe, eine kräftige Bouillon, und das Leben schwenkt in eine erfreuliche Richtung. Sie, die Bouillon, spendet Kraft und Anmut den Unbillen entgegenzutreten: „Leinen los. Ahoi.“

  2. Mein besster Gestresster,
    ich kenne das. Und vor allem kenne ich Essen mit gekörnter Brühe.
    Gut gemeint und gut gemacht, der Geschmack uns doch verlacht. (Reim oder was? !-) Natürlich geht nichts über die Procedur die Du beschreibst. Der Geruch beim Machen und der Geschmack im späteren Essen ist weder von Knorr, Maggie oder Oetker besessen.(Jetzt langt´s aber mit dem Humpelreim ;-) Manchmal muß man vor dem Rotwein etwas sinnvolles tun. Gerade nach so einem Tag. Schön das es Dir besser ging danach. Ich glaube ich werde bevor ich das nächste mal zum Arzt gehe, erstmal Bouillon kochen und en Rotwein schonmal atmen lassen.
    Ein Lob auf die Metzger des Vertrauens und den orientalischen Kräuterhändler.
    Es lebe das gute Essen. Vor allem zu Hause.
    Franjo Zenz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert