Ordnungsamt auf der Piste

Das find ich echt toll, dass das Ordnungsamt von Wilmersdorf-Charlottenburg sich zum kompromißlosen Handeln entschlossen hat, um dem Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen endlich Einhalt zu gebieten. Der Tagesspiegel berichtet unter der außergewöhnlich witzigen Schlagzeile Alko-Cops zum ersten Mal auf Streife von einer aufsehenerregenden Aktion:

Zwischen 22.30 Uhr und ein Uhr besuchten drei Bezirksmitarbeiter, fünf Polizisten und zwei Mitarbeiter vom Gewerbeaußendienst des Landeskriminalamtes vier Gaststätten zwischen Wilmersdorfer und Pariser Straße. „Sie ließen sich Ausweise zeigen und kontrollierten den Ausschank von Alkohol an Gäste“, sagte Marc Schulte, SPD-Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Ergebnis war erfreulich: „Es wurden keine Verstöße gegen den Jugendschutz festgestellt“, sagte Schulte. Der Stadtrat gibt aber zu, dass bei dieser ersten Aktion Diskotheken und Kneipen ausgewählt wurden, bei denen „keine großen Überraschungen“ zu erwarten gewesen seien. Namen nannte Schulte nicht. Aber: Es werden bald weitere Kontrollen folgen – auch in anderen Bezirken.

Ist doch super gelaufen! Okay, dass zehn Mann in zweieinhalb Stunden gerade mal vier Kneipen geschafft haben, klingt auf Anhieb nicht so berauschend (Ich kann auch Wortwitze, Tagespiegel!), da hat unsereins früher auf dem Kreuzberger Trampelpfad locker das doppelte gepackt, aber immerhin hat die Behörde ein machtvolles Zeichen gesetzt. Auch dass man offenbar nur Lokale kontrolliert hat, wo es eigentlich nichts zu kontrollieren gab, halte ich für einen absolut vernünftigen Entschluss des Ordnungsamtes. Die jugendlichen Komasäufer sind pfiffig, die trinken sich nicht bei Arcor oder Alice fix und alle, eben weil da „Flatrate“ draufsteht. Das wäre zu offensichtlich.
Beim nächsten Kneipenbummel Kontrollgang kann man dann ja noch ein paar Versammlungsräume der Heilsarmee und der Anonymen Alkoholiker einer strengen Kontrolle unterziehen, diese Vereinigungen sind so auffällig anti-alkoholisch, da KANN doch was nicht stimmen.
Drücken wir also den Beamten die Daumen, wenn sie hart am Getränk bleiben, wird es ihnen in den nächsten sechs bis acht Monaten sicherlich gelingen, irgendwo einen zumindest leicht angetrunkenen Jugendlichen aufzutreiben. Das wäre dann ein noch schönerer Erfolg als die Promille-Patrouille vom letzten Wochenende.
[Tags]Alkohol, Beamte, Ordnungsschwurbel, krasses Gehirnversagen, Ungeheuer![/tags]

Unternehmerisches Handeln

Neulich habe ich mich lange erst an-, dann aufgeregt mit einer Person unterhalten, die recht erfolgreich im „mittleren Management“ eines großen deutschen Unternehmens tätig ist. Dabei fiel mehrfach das Wort „unternehmerisches Handeln“, weil die Person aus dem „mittleren Management“ ebendas für sich reklamierte. Ich äußerte meine Verwunderung. Unter unternehmerischem Handeln verstehe ich ein Handeln, das auch die volle Verantwortung für das eigene Tun mit einschließt, sprich, dass der Unternehmer auch mit allem, was er hat, dafür einsteht, sollte er den Karren vor die Wand fahren. Die Antwort, die ich bekam, fasziniert mich nach wie vor:

„Ach, hör mir doch auf. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder gleich haften müsste, wenn man sich bei einem Projekt mal ein bisschen verpeilt. Dann würde doch keiner mehr den Job machen!“

Okay. Ich weiß jetzt Bescheid.

[tags]Management, Haftungsausschluß, Verantwortungslosigkeit als Lebensprinzip, Ungeheuer![/tags]

Splitterbrötchen (XVII)

Mutmaßung, warum ein sehr schwungvoll Suppe tragender Kellner nichts verschüttete: „Wenn er anfängt, sich zu bewegen, bewegt sich die Suppe wegen der Massenträgheit erst einmal rückwärts.“

Die wenigsten Menschen wissen, dass der Satz „Ich habe keinen Schimmer!“ auf den Landgrafen von Hessen-Kassel zurück geht. Dieser wurde einst nach dem winzigen, zwischen Waldkappel und Rothenburg gelegenen Dörfchen Schemmern gefragt, und entgegnete irrig aber barsch, da er von diesem unbedeutenden Landflecken zum ersten Mal hörte: „Ich habe kein Schemmern!“

Ich würde gern eine konspirative Vereinigung gründen, deren einziges Ziel es ist, den Erfinder des Tisch-Mülleimers auf möglichst qualvolle Weise ums Leben zu bringen.

[tags]Pseudoweisheiten, Tiefsinn, Wichtigtuerei[/tags]

Mutmaßungen über Eva

Geschichtsquiz
Eine Blume im Programm-Bouquet der Öffentlich-Rechtlichen, die einige Fragen aufwirft, die von den Kandidaten wohl nicht beantwortet werden können, u.a.
a) Warum wurde sie nicht eingeladen?
b) Wurde sie eventuell kurzfristig wieder ausgeladen?
c) Wird sie vielleicht doch noch – als Studiogast und/oder Expertin – teilnehmen?

[tags]Hermansschlacht, Mutterkreuzzug, saudoof, Nazideppen, Quotengeilheit, Ungeheuer![/tags]

Der Teufel in der Soorstraße

Gestern Abend schlug das Schicksal mit unbarmherziger Härte zu. Um 17 Uhr 15 fiel mir ein, dass ich noch die Büropost wegzubringen hatte, und wer schon einmal gegen 17 Uhr 30 das Postamt in der Berliner Soorstr. betreten hat, weiß was das heißt: mindestens 15 (gefühlte 30) Meter Schlange vom Diskretionsbalken bis zur Tür, maximal 3 (gefühlt 1) Schalter offen, mindestens 30 Minuten (gefühlt: 8 Stunden) Wartezeit, während der man sich anhören muss, wie die Postangestellten versuchen, statt Postwertzeichen Mobilfunkverträge, kostenlose Giro-Konten und Heizdecken preiswerten Strom zu verhökern… Mein Los verfluchend stürzte ich auf die Straße, eilte in die Soorstr., betrat das Postamt und erstarrte.
Keine Schlange. Nur ein weiterer Kunde weilte in der Filiale und der wurde bereits zu seiner vollsten Zufriedenheit bedient.
Ich wähnte mich in einem fantastischen Traum, tastete mich zum Diskretionsbalken vor, wo man mich zweifellos mindestens 5 (gefühlte 15) Minuten warten lassen würde, ich kenn ja meine Pappenheimer von der Post…
„Bitteschön…“
Nicht zu fassen. Nach maximal 20 (gefühlt 5) Sekunden Wartezeit war ich dran. Am Schalter gab ich meinen Poststapel ab, und da die Dame ihn zügig, kompetent und ohne Werbeeinblendungen (Handy, Girokonto, Strom) bearbeitete, wagte ich ein entspanntes Gespräch:
„Haben Sie das schon einmal erlebt? 17 Uhr 30, und keine Schlange?“
„Nicht, seit ich denken kann.“
„Ich hatte mein Schicksal verflucht, als ich feststellte, dass ich noch zur Post musste, aber jetzt dies… die reine Wonne…“
„Wären sie ein bißchen früher gekommen, hätten Sie gar nicht warten müssen, da hätten Sie glatt durchgehen können.“
„Das hätte ich nicht verkraftet. Das wäre zuviel Glück auf einmal gewesen.“
„Jetzt übertreiben Sie aber.“
„Keineswegs.“
„Quittung?“
„Ja, bitte, gerne. Ich übertreibe wirklich nicht. Seit eben weiß ich, dass es irgendwo dort oben doch ein höheres Wesen gibt, dass über mich wacht, dass mir wohlgesonnen ist…“
Und in genau diesem Moment ging der Quittungsdrucker kaputt.
[tags]Post, Nihilismus, Weltschmerz[/tags]

Nachgekocht: Versteckter Fisch

Eigentlich bin ich ja eher ein Küchenfreestyler, aber manchmal stößt man auf ein Rezept, dass so einleuchtend ist, dass man gar nicht anders kann als es einfach nachzumachen. Lauchstange in Ringe schneiden, mit feingeschnittener Zwiebel andünsten, bisschen Hokkaido auf der groben Reibe raffeln, kurz mitdünsten lassen, Löffelchen Schmand und Löffelchen Parmesan dazu, das alles auf eine mit Zitronensaft behandelte Lachstranche gepappt, 20 Minuten in den Ofen geschoben und…

Lachs mit Kuerbiskruste

Doch, da ist Lachs drunter, Ehrenwort. Aber man darf ihn ja nicht sehen, sonst wär es ja kein versteckter Fisch. Das genaue Rezept steht beim datenhamster.org, herzlichen Dank dafür.
Habe ich mich eben wirklich bei einem Datenhamster für ein Kochrezept bedankt?
[tags]Kochen, Lachs, Kürbis[/tags]

Eine Frau sieht rot

Mensch, Frau Sallmann vom Tagesspiegel,
dass find ich ganz toll, wie seriöse, sorgfältig recherchierende Journalistinnen wie Sie unsereins zum Nachdenken bringen. Heute zum Beispiel hat ein von Ihnen verfasster Artikel mein gesamtes Wertesystem auf den Kopf gestellt. Doch der Reihe nach: Sie sind auf eine ganz heiße Geschichte gestoßen. Sie haben doch glatt rausgekriegt, dass Jodie Foster – ja, genau DIE Jodie Foster – nicht nur in Ihrem letzten Film „Die Fremde in dir“ eine Frau gespielt hat, die das Recht in die eigene Hand nimmt, sondern dass sie ganz offenbar „besessen“ von Selbstjustiz ist:

Selbstjustiz ist ein sehr amerikanisches Thema und der Film ist nicht ohne reale Vorbilder … Jodie Foster hat mehrfach Figuren gespielt, die Selbstjustiz üben – eine seltsame Affinität…

Und weil sie ausführlich recherchiert haben, können Sie die skandalöse Anzahl von vier (jawoll, 4 von 71 Filmen, die Mrs. Foster als Darstellerin gedreht hat! Pumpgun-Trägerin, ick hör dir trapsen!) Filmen anführen, in denen Mrs. Foster der Selbstjustiz das Wort geredet hat: Taxi Driver, Angeklagt, Panic Room und Flight Plan.
Äh… Frau Sallmann? In „Taxi Driver“ greift De Niro zur Waffe, nicht Mrs. Foster, „Angeklagt“ ist ein Gerichtsfilm, in dem die von ihr gespielte Figur ihr Recht mit Hilfe einer Anwältin erkämpft, in „Panic Room“ setzt sie sich in Notwehr gegen gewalttätige Einbrecher zur Wehr und in „Flight Plan“ rettet sie ihr Kind während eines Fluges vor Entführern und deckt eine Verschwörung auf. In keinem dieser Filme spielt Mrs. Foster eine Figur, die sich dem Gewaltmonopol des Staats widersetzt und das Recht auf eigene Faust durchsetzt… Tatsächlich ist „Die Fremde in dir“ der erste und bisher einzige Film (von 71, Sie erinnern sich), in dem sie solch eine Figur spielt.
Sie haben mich zum Nachdenken gebracht, liebe Frau Sallmann. Bisher habe ich die Selbstjustiz abgelehnt und Filme nicht besonders gemocht, die dieselbe glorifizieren. Nach Lektüre Ihres Artikels muss ich jedoch sagen: Sollte ich jemals – ob auf der Leinwand oder im richtigen Leben – Zeuge werden, wie Jodie Foster Ihnen in berechtigter Entrüstung eine runterhaut, würde ich applaudierend aufspringen und „Right on, Jodie! Give us more!“ brüllen.
Tschö.
Der Chris

[tags]Tagesspiegel, Film, Kultur, Sallmann, gehirnalbern, Ungeheuer![/tags]

Splitterbrötchen (XVI)

Ich kann mich einfach nicht entscheiden, welche Schlagzeile aus dem Samstags-Tagesspiegel mir besser gefällt: „Fast 1000 Berliner Lehrer sind dauerkrank“ oder „Seehofer ehrt Gammelfleisch-Fahrer“.

Seine fürchterlichste Waffe wendet der Mensch immer ohne Absicht an: DIe Gedankenlosigkeit.

Die „Wetten Dass“-Redaktion lässt mit schöner Regelmäßigkeit einen der ältesten Tricks der Illusionistenkunst zur besten Sendezeit vorführen. Ich kann einfach nicht glauben, dass die naheliegenden Codes, mit denen Magier und Assistent sich austauschen, in Mainz unbekannt sein sollen.

Noch einmal Tagesspiegel: Ja, die Dreharbeiten des Stauffenberg-Films im Bendler-Block müssen wiederholt werden. Big Deal. Aber warum reitet eine Zeitung, in deren Redaktion Leute sitzen, die es besser wissen müssten, tagelang auf einem total banalen Negativ-Schaden herum?

Da treff ich einen Kollegen, den ich zehn Jahre nicht gesehen habe und wohl auch zehn Jahre nicht mehr sehen werde. Trotzdem greife ich reflexhaft in die Brusttasche, aber er ist geistig schneller und sagt: „Willst du mir wirklich deine Karte geben?“

Gelegentlich denke ich, dass es Spaß machen könnte, Bassgitarre zu spielen. Vermutlich benötige ich dringend einen Therapeuten.

[tags]Pseudoweisheiten, Tiefsinn, Wichtigtuerei[/tags]