Der Nudelhammer

Manche Koch-Trends krieg ich nur mit Verspätung mit. Ich hab vor ein paar Jahren aufgehört, Fresszeitschriften zu lesen, weil mir die meisten Rezepte zu fisselig wurden und ich eh meist frei Schnauze koche. Deshalb hab ich wohl diesen ganzen Pastasottokram verpennt oder nicht mitgekriegt, oder was. Gestern hab ich’s zum ersten Mal ausprobiert. Also Nudeln nicht in Wasser kochen, sondern so ’ne Handvoll Nudeln pro Nase (100 g vielleicht) nehmen, mit ’ner Schalotte in Olivenöl auf mittlerer Hitze unter Rühren anbraten, mit Hühnerbrühe ablöschen (so 200 ml auf 100 g Nudeln dürften hinkommen) und köcheln lassen, bis die Nudeln die Flüssigkeit aufgenommen haben und noch Biss haben. Dann noch ein bißchen Parmesan untergerührt…

Pastasotto

Das rockt! Eine echte Bereicherung des Pasta-Repertoires, und das war ja erst die Simpel-Variante. Ich hab schon ein paar ganz verwegene Ideen, unter anderem eine süße Variante, bei der man die Nudeln mit Apfelstücken anbrät, mit ordentlich Apfelwein (das wird Fressack freuen) und einem Schuß Sahne ablöscht, bißchen Zimt, vielleicht noch ein paar Rosinen dazu, garen lassen und dann mit Vanilleeis… Nuja, wenn das nächste Mal Gäste kommen, weiß ich, was es zum Dessert gibt.

[tags]Pasta, Pastasotto, Kochen [/tags]

Pasta-Bohnen-Gedöns

Aus irgendwelchen Gründen hatten wir am Sonnabend weder Bock noch Zeit, groß Einkaufen zu gehen. Deshalb war auch nix zu Essen im Haus, als ich Sonntag Abend zu kochen anfing. Nu, nix zu Essen im Haus ist natürlich stark übertrieben. Soll heißen: Nix außer den üblichen Verdächtigen Vorräten, aus denen ich dann so ’n Pasta-Bohnen-Gedöns improvisiert hab.
500g Spaghetti, 4 kleine, frische Salsiccie, 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 3 getrocknete Tomaten, 1 kleine Büchse San-Marzano-Tomaten, 1 kleines Glas Borlotti-Bohnen, Tomatenmark, getrocknete Chilischoten, 1 Glas Rotwein, Olivenöl, Salz, Pfeffer.
Die Salsiccie pellen, kleinschneiden und in Olivenöl anbraten. Kleingeschnittene Zwiebel, Knoblauch, Tomatenmark und getrocknete Tomaten dazu, anschwitzen und mit dem Rotwein ablöschen. Wenn der Rotwein fasst verkocht ist, Tomaten samt Saft dazugeben, Chili nach Geschmack, salzen, pfeffern, Hitze runterdrehen und das Nudelwasser aufsetzen. Wenn das Nudelwasser kocht, Bohnen (abgegossen, abgespült) in die Sauce und Spaghetti ins Wasser geben. Wenn die Spaghetti knapp gar sind, abgießen, in den Saucentopf geben und gut mit der Sauce vermischen. Bei Tisch noch Parmesan und Olivenöl drangeben.

Pasta-Bohnen-Gedöns
War für improvisiert erstaunlich gut. Mach ich wohl bald nochmal.
[tags]Pasta, Tomaten, Bohnen, Kochen[/tags]

Leicht und gesund

Nach Weihnachten hat man die Nase voll von schwerem, fettigen Essen, von üppigen, mächtigen Fleischgerichten. Die Vorfreude auf den Frühling beginnt, es gelüstet einen nach leichten, frischen Salaten und Gemüsegerichten. Ein frisches, sanftes Gurkentomatengemüse ist genau das richtige für einen verregneten Januartag. Pro Nase benötigt man eine gute halbe Salatgurke (noch besser: Schmorgurke), geschält und entkernt, drei Tomaten, geviertelt und ebenfalls entkernt, weil das Gemüse sonst zu suppig wird. Perfektionisten schälen die Tomaten auch noch, aber dazu bin ich zu faul. Und so lange sind die Tomätchen auch nicht in der Pfanne, dass die Haut sich ablösen und unappetitlich herumfladdeln könnte. Bisschen Zwiebel und Knoblauch noch schälen und feinhacken, dann geht’s los. Zwiebel und knoblauch in Butter glasig schwitzen, Tomaten und Gurkenstückchen dazu, warmschwenken, und dann einen kleinen Schuss Sahne dazu. Bißchen einköcheln lassen, dass die Sahne cremig wird, Salz, Pfeffer, Schnittlauch, fertig. Das ist so leicht, das ist so gesund, da macht vegetarische Ernährung Spaß, weil man das Fleisch überhaupt nicht vermißt.
Leicht und gesund
Wie jetzt allerdings die gebratene Entenbrust mit auf Teller und Foto geraten ist, dafür habe ich keine Erklärung. Da muss mir jemand einen ganz üblen Streich gespielt haben. Ich bin erschüttert.
[tags]Kochen, Gurke, Tomate, Sahne, Gemüse[/tags]

Mensa, Jus und Steckerlfisch – Wie ich zu kochen anfing

Ich wußte wirklich nicht, wie gut meine Mutter kochen konnte. Was sie allmittäglich vor mich auf den Tisch stellte, hielt ich für normale, akzeptable Hausmannskost. Was es letztlich auch wahr, aber zubereitet von einer Meisterin ihres Fachs, die würzen und abschmecken konnte wie keine zweite und alles, aber auch wirklich alles tat, damit es ihren Kindern schmeckte. Ich hielt die Grüße aus dem Schlaraffenland, die sie jeden Tag aus der Küche auf den Tisch trug, für ganz normales Essen.
Ich hatte „schlechtes Essen“ einfach nicht auf meinem Radarschirm, und deshalb wusste ich auch nicht, was meine Mutter mit ihrem öfters ausgerufenen Seufzer „Der Junge ist gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ meinte, wenn ich mich mal wieder über komisch schmeckende Milch (wurde am nächsten Tag sauer) oder Fleisch von merkwürdiger Konsistenz (entstammte der Tiefkühltruhe) und ähnliches beschwerte.
Als sich nun der Tag näherte, da ich den mütterlichen Haushalt verlassen musste, um in München ein Studium zu beginnen, fragte meine Mutter mich eines Tages, ob sie mir nicht die Grundbegriffe des Kochens beibringen solle. Entrüstet wies ich derartiges von mir: „Es gibt ja eine Mensa an der Uni, da kann ich zum Mittag essen.“ Sie sah mich lange an. „Ausgerechnet du willst in der Mensa essen?“ – „Ja, warum denn nicht? Ich bin doch nun wirklich ein unkomplizierter Esser!“
Sie hatte so eine Art, mich anzugucken, wenn ich gerade im Brustton der Überzeugung etwas gesagt hatte, was sie mit ihrem Weltbild nun gar nicht in Einklang bringen konnte. Sie atmete dann immer ein, als wollte sie einen Satz beginnen, schwieg dann aber doch, sicherlich weil sie nicht „Ist der Junge jetzt endgültig verrückt geworden?“ sagen wollte. Sie sagte es auch diesmal nicht, schüttelte nur den Kopf und schwieg.
Wochen später zog ich denn nach München, und an einem meiner ersten Tage dort betrat ich frohgemut und mit knurrendem Magen die Mensa. Das Stammessen zwo war Steckerlfisch, also gegrillte Makrele, eine Spezialität von der ich einiges gehört hatte und die ich schon immer mal ausprobieren wollte. Ich erwarb also eine Essensmarke der Klasse zwo (wenn ich mich recht entsinne für zwei Mark dreißig) und hielt alsbald ein Tablett mit einem riesengroßen, goldbraun gegrillten Steckerlfisch in der Hand. Erfreut nahm ich Platz und genoss eine ganz ausgezeichnete Mahlzeit, die mir noch heute in bester Erinnerung ist.

Steckerlfisch
Abends rief ich meine Mutter an, um ihr von diesem schönen Erfolg der Münchner Mensa zu berichten. Ich hatte nicht nur mein Ernährungsproblem gelöst, sondern auch bestätigt, dass ich in Essensdingen tatsächlich pflegeleicht war. Meine Mutter schwieg lange. Erst, als ich fragte, ob sie noch am Telefon wäre, sagte sie leise etwas. Es klang wie „Wenn du meinst…“
Am nächsten Tag wusste ich, was sie meinte. Als ich vor einem unglaublich schmierigen braunen Schmadder, aus dem knorpelige Fleischstücke feindselig zwischen öligen Fettaugen herausragten, einer Schale mit körnig angerührtem Moltofill und einem ekelhaften grünen Flummi (Stammessen 1: Schweinsgulasch mit Reis, Götterspeise) saß und keinen Bissen herunterbrachte, obwohl mein Magen knurrte wie die überforderte Endstufe eines Motörhead-Verstärkers, wurden mir schlagartig drei Dinge klar:
1. Meine Mutter war die beste Köchin der Welt, das Essen, was sie zu kochen pflegte, war alles andere als normal.
2. Ich war vielleicht doch etwas pingelig mit dem Essen.
3. In der Münchner Mensa können sie nur Steckerlfisch, sonst nix.
Am Abend rief ich meine Mutter an, leistete Abbitte und berichtete ihr von meinem Entschluss, die Mensa nur noch aufzusuchen, wenn dort Steckerlfisch im Angebot wäre. Argwöhnisch fragte sie, wie ich mich in Zukunft zu ernähren gedächte. „Ich koch eben selbst!“ verkündete ich. Irgendetwas hinzubekommen, dass essbarer war als der verknorpelte Örks aus der Mensa sollte doch machbar sein. Besorgt machte meine Mutter mich darauf aufmerksam, dass ich keinerlei Ahnung von irgendwelchen grundlegenden küchentechnischen Abläufen hätte. Ich verwies umgehend auf meine jüngst erworbene Meisterschaft im Braten von Spiegeleiern und erklärte ihr: „Dann kauf ich mir eben ein Kochbuch. Da steht ja dann alles drin. So schwer kann das auch nicht sein.“ Sie schwieg ein wenig, dann redeten wir über andere Dinge.
Am nächsten Tag gab es in der Mensa keinen Steckerlfisch. Also mied ich diesen Ort kulinarischer Verheerung und suchte stattdessen den benachbarten Buchdiscounter montanus auf, um ein Kochbuch zu erwerben. Leicht ratlos stand ich vor der Vielfalt des Angebots, bis mir der Standardsatz meiner Mutter einfiel: „…gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ Na, da war doch haargenau das, was ich suchte! Ich kaufte mein erstes Kochbuch sowie – natürlich in einem anderen Geschäft – eine Leberkäs-Semmel, setzte mich in die Herbstsonne und begann zu lesen.
Interessant. Einleuchtend. Und wohl doch etwas komplizierter, als ich es mir gedacht habe. Aber – ich hatte es immer gewusst – machbar. Ich entschied mich, nicht nur die Mensa sondern auch die nachmittägliche Vorlesung zu meiden, suchte stattdessen noch einmal den Fleischer auf, bei dem ich die Leberkäs-Semmel erstanden hatte, ging anschließend in einen Supermarkt und dann in mein Einzimmerwohnklo und begann zu kochen. Zum ersten Mal in meinem Leben! Am Abend rief ich meine Mutter an.
„Ich habe mir ein Kochbuch gekauft und gleich etwas gekocht! Hat ganz gut geklappt“
„So. Was denn?“
„Einen Kalbsjus!“
„Du hast was gekocht?“
„Einen Kalbsjus. Dafür brät man Kalbsknochen an und kocht…“
„Großer Gott, Junge… Warum um alles in der Welt hast du einen Kalbsjus gekocht?“
„Den braucht man für gescheite Saucen. Steht so in dem Kochbuch, dass ich mir gekauft habe.“
„Was für ein Kochbuch hast du dir um Himmelswillen gekauft?“
„Kochschule für Anspruchsvolle, von einem gewissen Wolfram Siebeck. Ich dachte, damit mach ich nix verkehrt….“
Meine Mutter schwieg. Nach einer Weile fragte sie: „Hast du deinen Kalbsjus auch gegessen?“
„Natürlich nicht. Aber ich hab jetzt einen Mordshunger. Ich geh jetzt schnell um die Ecke und ess ’ne Pizza.“
Meine Mutter schwieg lange. Das Dröhnen dieses Schweigens habe ich heute noch im Ohr.

Ich bedanke mich beim Mittagesser Sebastian, dessen Eintrag über die Münchner Mensa mich an meine eigenen Basics erinnert hat.
[tags]Mensa, Kochen, Erinnerung, Steckerlfisch, Siebeck, Kalbsjus[/tags]