Wenn sich Kommunisten in die Suppe spucken – Noch eine Geschichte von der Münchner Mensa

Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war’s, da wurden in München die Mensapreise erhöht. Stammessen 1 von 1,30 DM auf 1,70 DM und Stammessen 2 von 1,90 auf 2,30 DM oder so. Ganz genau weiß ich’s nicht mehr. Zum Vergleich: ein halber Liter Bier war damals im Atzinger für ca. 2 DM zu haben. Eine derart happige Preiserhöhung und die dadurch logischerweise ausgelöste allgemeine studentische Unzufriedenheit riefen in den seligen siebziger Jahren unfehlbar wen auf den Plan? Richtig, die kommunistischen Splitterorganisationen.
Den Anfang machte der Marxistische Studentenbund Spartakus (DKP-nah und prinzipientreu), der vor der Mensa in der Leopoldstraße eine Gulaschkanone aufbaute und – als Akt höchster internationaler Solidariät – Erbsensuppe zum alten Stammessen-1-Preis an die darbende Studentenschaft verhökerte. Die Erbsensuppe war ein ziemlicher Erfolg, der sich allerdings nicht auf den pfiffig daneben platzierten Büchertisch mit wie absichtslos daliegenden Aufnahmeanträgen für den MSB übertrug.
Erbsensuppe
Diese Aktion der Spartakisten rief natürlich die KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschlands, Marxisten-Leninisten, stalinistische Maoisten, noch humorloser als der MSB) auf den Plan. Mitglieder der KPD/ML waren damals leicht zu erkennen. Sie trugen ausnahmslos ausgebeulte graue Hosen, kleinkarierte Hemden und abgewetzte braune Cord-Sakkos. Noch der ärmste Münchner Proletarier war eleganter gekleidet als ein Mitglied der KPD/ML. Die Cord-Sakkos bauten sich gegenüber des Spartakus-Büchertischs auf, verteilten Flugblätter und nahmen ein Megafon in Betrieb. Der ML-Chefagitator eröffnete mit: „Jeder, der die Erbsensuppe des MSB Spartakus ißt, ist ein Renegat, ein Verräter an der Sache der Arbeiterklasse, der den revolutionären Kampf um Jahre zurückwirft!“
„Wir brauchen auch ein Megafon!“ erkannten die Spartakisten mit revolutionärer Klarheit. Hastig wurden Telefongroschen organisiert, um in der Zentrale (Jede kommunistische Organisation, die etwas auf sich hielt, hatte damals eine „Zentrale“.) anzurufen und ein Megafon zu bestellen, das tatsächlich nur eine Viertelstunde später in einem von der Arbeiterklasse finanzierten Taxi eintraf. Die spartakistische Gegenoffensive begann mit „Die Solidarität zwischen Arbeiterklasse, Studentenschaft und der Oktoberrevolution ist unverbrüchlich!“ Präzision in Sprache, Grammatik oder Semantik war nie die Sache des MSB Spartakus gewesen. Anschließend verlas man ein Grußwort von Leonid Breschnew.
Die Situation eskalierte. Die Megafone wurden immer weiter aufgedreht, die Agitatoren rückten immer näher aufeinander zu und brüllten sich schließlich beinahe Nase an Nase an. Nur die Megafone passten noch dazwischen.
Hammer und Sichel
Wer fehlte noch? Natürlich die Genossen von der KPD/AO (Aufbauorganisation), einer linksabweichlerischen Abspaltung von der KPD/ML, denen Mao nicht maoistisch genug war, und die immer hinter den Marxisten/Leninisten herliefen, um ihre Gegenposition zu untermauern. Sie trafen mit halbstündiger Verspätung ein und hatten auch ein Megafon mitgebracht, mit dem sie ihre Position (Klassengegensätze nicht mit Erbsensuppe zukleistern, Arbeiterklasse sofort bewaffnen, Albanien stärken) unmissverständlich klarstellten.
Der Beginn eines revolutionären Handgemenges schien unausweichlich, noch bevor die Genossen vom KSB (Kommunistischer Studentenbund) und vom KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland) überhaupt rhetorisch eingreifen konnten. In letzter Sekunde konnte jedoch revolutionäres Blutvergießen durch das Eintreffen einer bajuwarischen Polizeistreife abgewendet werden. Umgehend solidarisierten sich sämtliche linken Flügel, richteten ihre machtvollen Megafone gegen die beiden übermächtigen Repräsentanten des Imperialismus und begannen, die Arbeiterklasse gegen die Polizeistaats-Methoden der Büttel des Monopolkapitals zu verteidigen.
Der weitere Verlauf der Veranstaltung war im Sinne der Weltrevolution durchaus enttäuschend. Die meisten Studenten hatten sich längst desinteressiert in die Mensa verzogen, sodass die ganze Brüllerei mangels Masse nicht einmal als unangemeldete Demonstration durchgehen konnte. Auch zeigten die Polizisten keinerlei Bereitschaft, die kommunistische Avantgarde menschenrechtsverletzend niederzuknüppeln, sondern baten lediglich die Barrikadenkämpfer ganz freundlich, die Megafone auszuschalten. Man habe eine Beschwerde wegen Lärmbelästigung erhalten.
Bevor die Funkstreife kopfschüttelnd wieder abzog, taten die braven bayrischen Beamten noch ihre Pflicht und erkundigten sich bei den Erbsensuppenverkäufern des MSB Spartakus, ob sie denn den dafür erforderlichen Gewerbeschein vorweisen konnten. Natürlich konnten die zu allem entschlossenen Revolutionäre das. Er steckte in einer Klarsichthülle.

Erinnert dank des Mittagessers.
Erbsensuppenfoto von FirstMichael
Hammer und Sichel von CountZero, Photocase

Mensa, Jus und Steckerlfisch – Wie ich zu kochen anfing

Ich wußte wirklich nicht, wie gut meine Mutter kochen konnte. Was sie allmittäglich vor mich auf den Tisch stellte, hielt ich für normale, akzeptable Hausmannskost. Was es letztlich auch wahr, aber zubereitet von einer Meisterin ihres Fachs, die würzen und abschmecken konnte wie keine zweite und alles, aber auch wirklich alles tat, damit es ihren Kindern schmeckte. Ich hielt die Grüße aus dem Schlaraffenland, die sie jeden Tag aus der Küche auf den Tisch trug, für ganz normales Essen.
Ich hatte „schlechtes Essen“ einfach nicht auf meinem Radarschirm, und deshalb wusste ich auch nicht, was meine Mutter mit ihrem öfters ausgerufenen Seufzer „Der Junge ist gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ meinte, wenn ich mich mal wieder über komisch schmeckende Milch (wurde am nächsten Tag sauer) oder Fleisch von merkwürdiger Konsistenz (entstammte der Tiefkühltruhe) und ähnliches beschwerte.
Als sich nun der Tag näherte, da ich den mütterlichen Haushalt verlassen musste, um in München ein Studium zu beginnen, fragte meine Mutter mich eines Tages, ob sie mir nicht die Grundbegriffe des Kochens beibringen solle. Entrüstet wies ich derartiges von mir: „Es gibt ja eine Mensa an der Uni, da kann ich zum Mittag essen.“ Sie sah mich lange an. „Ausgerechnet du willst in der Mensa essen?“ – „Ja, warum denn nicht? Ich bin doch nun wirklich ein unkomplizierter Esser!“
Sie hatte so eine Art, mich anzugucken, wenn ich gerade im Brustton der Überzeugung etwas gesagt hatte, was sie mit ihrem Weltbild nun gar nicht in Einklang bringen konnte. Sie atmete dann immer ein, als wollte sie einen Satz beginnen, schwieg dann aber doch, sicherlich weil sie nicht „Ist der Junge jetzt endgültig verrückt geworden?“ sagen wollte. Sie sagte es auch diesmal nicht, schüttelte nur den Kopf und schwieg.
Wochen später zog ich denn nach München, und an einem meiner ersten Tage dort betrat ich frohgemut und mit knurrendem Magen die Mensa. Das Stammessen zwo war Steckerlfisch, also gegrillte Makrele, eine Spezialität von der ich einiges gehört hatte und die ich schon immer mal ausprobieren wollte. Ich erwarb also eine Essensmarke der Klasse zwo (wenn ich mich recht entsinne für zwei Mark dreißig) und hielt alsbald ein Tablett mit einem riesengroßen, goldbraun gegrillten Steckerlfisch in der Hand. Erfreut nahm ich Platz und genoss eine ganz ausgezeichnete Mahlzeit, die mir noch heute in bester Erinnerung ist.

Steckerlfisch
Abends rief ich meine Mutter an, um ihr von diesem schönen Erfolg der Münchner Mensa zu berichten. Ich hatte nicht nur mein Ernährungsproblem gelöst, sondern auch bestätigt, dass ich in Essensdingen tatsächlich pflegeleicht war. Meine Mutter schwieg lange. Erst, als ich fragte, ob sie noch am Telefon wäre, sagte sie leise etwas. Es klang wie „Wenn du meinst…“
Am nächsten Tag wusste ich, was sie meinte. Als ich vor einem unglaublich schmierigen braunen Schmadder, aus dem knorpelige Fleischstücke feindselig zwischen öligen Fettaugen herausragten, einer Schale mit körnig angerührtem Moltofill und einem ekelhaften grünen Flummi (Stammessen 1: Schweinsgulasch mit Reis, Götterspeise) saß und keinen Bissen herunterbrachte, obwohl mein Magen knurrte wie die überforderte Endstufe eines Motörhead-Verstärkers, wurden mir schlagartig drei Dinge klar:
1. Meine Mutter war die beste Köchin der Welt, das Essen, was sie zu kochen pflegte, war alles andere als normal.
2. Ich war vielleicht doch etwas pingelig mit dem Essen.
3. In der Münchner Mensa können sie nur Steckerlfisch, sonst nix.
Am Abend rief ich meine Mutter an, leistete Abbitte und berichtete ihr von meinem Entschluss, die Mensa nur noch aufzusuchen, wenn dort Steckerlfisch im Angebot wäre. Argwöhnisch fragte sie, wie ich mich in Zukunft zu ernähren gedächte. „Ich koch eben selbst!“ verkündete ich. Irgendetwas hinzubekommen, dass essbarer war als der verknorpelte Örks aus der Mensa sollte doch machbar sein. Besorgt machte meine Mutter mich darauf aufmerksam, dass ich keinerlei Ahnung von irgendwelchen grundlegenden küchentechnischen Abläufen hätte. Ich verwies umgehend auf meine jüngst erworbene Meisterschaft im Braten von Spiegeleiern und erklärte ihr: „Dann kauf ich mir eben ein Kochbuch. Da steht ja dann alles drin. So schwer kann das auch nicht sein.“ Sie schwieg ein wenig, dann redeten wir über andere Dinge.
Am nächsten Tag gab es in der Mensa keinen Steckerlfisch. Also mied ich diesen Ort kulinarischer Verheerung und suchte stattdessen den benachbarten Buchdiscounter montanus auf, um ein Kochbuch zu erwerben. Leicht ratlos stand ich vor der Vielfalt des Angebots, bis mir der Standardsatz meiner Mutter einfiel: „…gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ Na, da war doch haargenau das, was ich suchte! Ich kaufte mein erstes Kochbuch sowie – natürlich in einem anderen Geschäft – eine Leberkäs-Semmel, setzte mich in die Herbstsonne und begann zu lesen.
Interessant. Einleuchtend. Und wohl doch etwas komplizierter, als ich es mir gedacht habe. Aber – ich hatte es immer gewusst – machbar. Ich entschied mich, nicht nur die Mensa sondern auch die nachmittägliche Vorlesung zu meiden, suchte stattdessen noch einmal den Fleischer auf, bei dem ich die Leberkäs-Semmel erstanden hatte, ging anschließend in einen Supermarkt und dann in mein Einzimmerwohnklo und begann zu kochen. Zum ersten Mal in meinem Leben! Am Abend rief ich meine Mutter an.
„Ich habe mir ein Kochbuch gekauft und gleich etwas gekocht! Hat ganz gut geklappt“
„So. Was denn?“
„Einen Kalbsjus!“
„Du hast was gekocht?“
„Einen Kalbsjus. Dafür brät man Kalbsknochen an und kocht…“
„Großer Gott, Junge… Warum um alles in der Welt hast du einen Kalbsjus gekocht?“
„Den braucht man für gescheite Saucen. Steht so in dem Kochbuch, dass ich mir gekauft habe.“
„Was für ein Kochbuch hast du dir um Himmelswillen gekauft?“
„Kochschule für Anspruchsvolle, von einem gewissen Wolfram Siebeck. Ich dachte, damit mach ich nix verkehrt….“
Meine Mutter schwieg. Nach einer Weile fragte sie: „Hast du deinen Kalbsjus auch gegessen?“
„Natürlich nicht. Aber ich hab jetzt einen Mordshunger. Ich geh jetzt schnell um die Ecke und ess ’ne Pizza.“
Meine Mutter schwieg lange. Das Dröhnen dieses Schweigens habe ich heute noch im Ohr.

Ich bedanke mich beim Mittagesser Sebastian, dessen Eintrag über die Münchner Mensa mich an meine eigenen Basics erinnert hat.
[tags]Mensa, Kochen, Erinnerung, Steckerlfisch, Siebeck, Kalbsjus[/tags]

Schlachtekohl

Noch so ein kulinarisches Relikt aus versunkener Zeit: der Schlachtekohl. „Da, wo ich herkomme“ (also aus Nordhessen) pflegte man einmal im Jahr zu schlachten, auch wenn man kein Landwirt war. Mit einem solchen trat nämlich der schweinelose Haushaltsvorstand einmal jährlich in Verhandlung (eine hervorragende Ausrede, mit dem Landwirt soviel Schnaps zu trinken, bis weder Haushaltsvorstand noch Landwirt mehr wussten, wer jetzt wen über den Tisch gezogen hatte). Am Ende dieser Verhandlung stand ein Handschlag und eine Geldübergabe an den Landwirt, der sich im Gegenzug bereit erklärte, eine seiner wohlgeratenen, gesunden Sauen ins Jenseits zu befördern und die Überreste derselben unter tatkräftiger Mithilfe aller Mitglieder beider Familien in regionaltypische Spezialitäten (Ahle Worscht, grobe Bratwurst, Weckewerk, Sülze, Garwurst… usw.) zu verwandeln.
Am Schlachttag klingelte der Wecker zu unmenschlich früher Stunde, denn an einer ausgewachsenen Sau können sich auch viele Hände viele Stunden lang abarbeiten. Da wurden die verschiedensten Würste gemacht, Sülze und Schmalz hergestellt, Fleisch wurde eingeweckt… und das bei Bauern, die elektrisch betriebene Geräte für neumodischen Kram („Erst mal abwarten, ob sich das durchsetzt!“ Oder; direkter: „Warum soll ich denn für teuer Geld Geräte kaufen, wenn das die Fremden machen, die für die Sau bezahlt haben?“). Wer schon mal eine Weile an einer handbetriebenen Wurstmaschine gestanden hat, weiß, wie das schlaucht. Stundenlang in der Küche stehen, Gläser sterilisieren, Weckewerk kochen, Schmalz machen und Wurst einwecken ist auch keine ganze Kleinigkeit. Der Schlachttag führte einem von morgens bis abends vor Augen, dass gutes Essen mit Arbeit verbunden ist. Er führte einem aber auch vor Augen, dass es nach harter Arbeit eine Belohnung gibt, denn am Ende des Schlachttages gab es den Schlachtekohl, das gemeinsame Essen aller, die mitgearbeitet hatten.
Traditionell begann der Schlachtekohl mit einem Teller Wurstebrüh. Also einer Bouillon vom Schwein, in der die Würste und zahlreichen Fleischstücke im Lauf des Tages gekocht worden waren. Logisch, dass obenauf goldglänzende Fettaugen schwammen. Logisch, dass die Brühe ungeheuer reichhaltig war. Logisch, dass sie für Menschen, die Brühe aus Pulvern von Maggi und Knorr gewöhnt sind, vermutlich gewöhnungsbedürftig, etwas streng und vielleicht zu „schweinern“ schmecken würde. Für Menschen, die einen Tag lang im Dunstkreis der toten Sau gerackert hatten, schmeckte sie wie Manna, weckte ermüdete Lebensgeister und bereitete Gaumen und Seele auf die kommenden Attraktionen vor.
Da wäre zunächst einmal die frische Bratwurst zu nennen. Nur, wer einmal eine nordhessische grobe, ungebrühte Bratwurst gegessen hat, weiß, was für eine Delikatesse eine einfache Bratwurst sein kann. Und ärgert sich fortan schwarz, wenn er sieht, mit was für todgecutterten, fetttriefenden Ungetümen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes abgespeist werden, die an einem „normalen“ Imbiss eine Bratwurst bestellen.
Die Bratwurst für die Kinder, die am Schlachtekohl teilnahmen, war etwas besonderes. Sie war ihnen im Lauf des Tages „angemessen“ worden. Jedes Kind, das beim Schlachtekohl geholfen hat, wurde irgendwann neben die Wurstmaschine gestellt, und ein Stück Darm wurde ihm von einem Ohr zum andern angelegt und gleich mit Wurstmasse befüllt1. Das war die eigene Bratwurst, die man dann abends beim Schlachtekohl verzehrte.
Aber von einer Bratwurst wurde man nach so einem Tag natürlich nicht satt. Und folgerichtig kam mit und nach den Bratwürsten alles, was zur klassischen Schlachteplatte gehört: frische Blut- und Leberwürste, Wellfleisch, Speck, Frikadellen und Weckewerk, begleitet von mehligen Salzkartoffeln und würzigem Sauerkraut, das mit einer gehörigen Portion Schweineschmalz auf Höchstleistung getuned worden war. Das alles wurde mit größeren Mengen des besten Biers der Welt hinuntergespült, und Landwirt und Haushaltsvorstand genehmigten sich das ein oder andere Schnäpschen, um den Kreis endgültig zu schließen.
Anläßlich eines Schlachtekohls habe ich auch erfahren, woher das Wort „bauernschlau“ kommt. Es ist eine Bezeichnung für listige Landwirtinnen, die an der sich biegenden Tafel mit allen psychologischen Tricks arbeiten, um sich selbst und ihrer Sippschaft die besten Stücke zu sichern. Mit folgenden Worten trug eine wackere Landwirtsgemahlin aus dem Meißner Vorland die Platte mit den Würsten und dem Wellfleisch auf: „Das war nun unsere Suse… So ein treues Tier war sie, mit so einem lieben, sanften Blick. Als ich ihr gestern ihr letztes Futter gebracht hab, wie sie da geguckt hat… Ich schwöre, sie hat gewusst, was ihr bevorsteht.“ Klasse Idee, gnä‘ Frau! Auch blitzsauber durchgezogen. Wirklich ganz großes Tennis. Aber eine Spur zu durchsichtig. Wir haben reingehauen, als gäbe es kein morgen.

Chris Barber grüßt Eschwege

1971 war’s, als in meiner Heimatstadt Eschwege die Stadthalle fertig gebaut worden war, ein damals ultramoderner Mehrzweckbau mit Hotel, Restaurant und riesengroßem (800 Plätze!) Veranstaltungssaal von allerdings schon damals durchaus gewöhnungsbedürftiger Optik. Eine verblüffend hoch angesetzte Fensterfront, die nur zur Hälfte von äußerst farbenfrohen… Gardinen in futuristischem 70er-Jahre Design verdeckt wurde, sorgte für reichlich Gesprächsstoff in der Perle der Hessischen Schweiz.
Nichtsdestoweniger, der Kulturbund musste seine Veranstaltungen nun endlich nicht mehr in der Turnhalle der Struthschule durchziehen, sondern hatte ein eigenes, luxuriöses Domizil. Wenn auch mit diesen… Gardinen. Das war aber egal, denn die Veranstaltungen waren ja abends. Da war’s dunkel, und da sah man die… Gardinen nicht. Wie dem auch sei, jetzt konnte der Kulturbund mehr Veranstaltungen pro Jahr organisieren, und endlich, endlich etwas für die Eschweger Jugend tun. Und deshalb gab es gleich nach der feierlichen Eröffnung ein Konzert mit einer richtigen Band, mit der Chris Barber Jazz and Blues Band. Äh, ja, doch. Chris Barber. Der war damals schon über 40, und er spielte Cordhosen-Jazz. Möglicherweise lag der Eschweger Kulturbund seinerzeit ein klitzekleines bißchen daneben, was den Zeitgeist anbelangte, aber das war der Jugend letztlich egal. Die Musik war laut, und sie kam weder von einem Schulorchester noch von einem Spielmannszug, also war die Stadthalle pickepackevoll, und alle waren sich einig, dass die… Gardinen in der festlichen Dunkelheit praktisch gar nicht zu sehen waren und somit auch nicht störten. Die Band begann pünktlich, und auch wenn es Cordhosen-Jazz war, es war wenigstens fetziger Cordhosen-Jazz. Die Band spielte 3 starke Nummern am Stück, und dann trat Chris Barber persönlich ans Mikrofon, um uns zu begrüßen. Uns stockte der Atem. Chris Barber spricht zu uns! Was würde er sagen? Etwas persönliches? Oder würde er nur einen auswendig gelernten, xmal runtergenudelten Begrüßungstext runterleiern? Barber, ganz routinierter Profi, lächelte gut gelaunt ins Publikum, ließ seinen Blick über die hypermoderne Stadthallenarchitektur schweifen, bekam große Augen und sagte: „Ooooh… lovely shutouts you’ve got.“

Adabei

Gedanken machen – Der Shopblogger:

Mich haben heute zwei Kunden unabhängig voneinander etwa folgendermaßen angesprochen: „Arbeiten Sie hier?“, bzw. „Gehören Sie hier zum Laden?“ Sollte ich anfangen, mir Gedanken zu machen?

Ich bin mal, auf der Premierenfeier eines Musicals, für das ich das Buch schreiben durfte, in folgenden Dialog geraten:
„Waren Sie auch beteiligt?“
„Ich bin der Autor.“
„SIE haben DAS geschrieben?“
„Ich fürchte ja.“
„Das sieht man ihnen nun gar nicht an. Sie werden es schwer haben.“
Auweh. Ich mach mir aber schon lang keine Gedanken mehr deswegen.:)

Der Pirat

Neulich haben wir uns mal wieder über Arnold Marquis unterhalten. Arnold ist jetzt leider schon seit 16 Jahren tot, aber immer noch fast jeden Tag zu hören, wenn im Fernsehen ein Film mit John Wayne läuft. Oder Robert Mitchum. Oder Lino Ventura… Ja, dieses Donnergrollen auf Sparflamme, das ist Arnolds Stimme. Er ist – soweit ich weiß – nach wie vor „Rekordhalter“ im deutschen Synchron. Über 800 Stimmen soll Arnold im Lauf seiner Karriere synchronisiert haben, und da sind die Gefälligkeits-Takes („Arnold, kannst du nicht mal schnell…“) sicherlich nicht mit eingerechnet.
Ich hatte das große Glück, beinahe 200mal mit ihm an der Tribüne in Berlin auf der Bühne stehen zu dürfen, unter anderem in der Berliner Posse „Die Ehrenbürger“. Der 2. Akt dieses Schwanks spielte vor Gericht, und Arnold gab einen prachtvollen Sonderling von Richter, während ich mit der elenden Wurzen eines Verteidigers namens „Dr. Heimchen“ geschlagen war. Dr. Heimchen saß die ganze Zeit in der Ecke, ließ sich ständig von seinem Mandanten über den Mund fahren und durfte – immerhin – am Schluß ein kurzes Plädoyer halten, das gelegentlich mit einem Szenenapplaus aus der Mitleidsabteilung belohnt wurde.
Nach ca. 20 Vorstellungen begann Arnold, sich zu langweilen und nach Ablenkung zu suchen. Und wenn Arnold nach Abwechslung suchte, blieb kein Auge trocken. Dann veränderte er kreativ seinen Text (in Kleists „Die Familie Schroffenstein“ hatte er hartnäckig aus einem Beinhaus ein Reihenhaus gemacht), grimassierte, trieb Unfug mit dem Requisiten, alles mit nur einem Ziel: Einen Kollegen aus der Rolle zu schmeißen. Auf kleingeistige Abmahnungen einer künstlerisch hasenfüßigen Intendanz reagierte er mit der Gelassenheit des unabhängigen Profis („Wollen die mich ernsthaft rausschmeißen?“) Natürlich tat Arnold das nicht in jeder Vorstellung, in 90 Prozent aller Fälle war er ein Muster an Präzision und Professionalität. Aber gelegentlich…
Die Vorstellung, als ein Kleiderbügel auf dem Richtertisch liegen geblieben war, verfolgt mich heute noch in meinen Alpträumen. Als Arnold den Kleiderbügel sah, blitzten seine Augen auf. Sofort ließ er den Kleiderbügel unter dem Richtertisch verschwinden, und begann, mir verheißungsvolle Blicke zuzuwerfen. Mir schwante Übles. Als ich mich schließlich erhob, um zu plädieren, schwappte mir der Angstschweiß in den Schuhen.
Vollkommen zurecht. Arnold hatte sich entschlossen, mein Plädoyer diesmal als Pirat entgegenzunehmen. Er hatte sich aus diversen Akten einen schicken Dreizack gebastelt, ein Taschentuch als Augenklappe umgebunden und aus dem rechten Ärmel seiner Gerichtsratsrobe steckte der Haken des Kleiderbügels.
Ich versuchte, möglichst schnell durch mein Plädoyer zu kommen und Arnold dabei nicht anzusehen, aber dieser Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Arnold zog die ganze Palette durch, benutzte seinen Richter-Hammer als Fernrohr, um nach Beute Ausschau zu halten, sah mich durch das Fernrohr, erschrak, drohte mir mit dem Haken, verstand nicht, was ich sagte, machte sich mit dem Haken die Ohren sauber, kletterte auf seinen Stuhl, um der Justitia-Statue ein unzüchtiges Angebot ins Ohr zu flüstern… Wer Johnny Depp für einen exaltierten Piraten hält, war nicht in dieser Vorstellung.
Ein Kollege sagte mir nach der Vorstellung, ich hätte bei meinem Plädoyer etwas undeutlich gesprochen. Ja. So kann man das wohl auch nennen.

kicker-Überschriften

Warum ich seit an die 40 Jahren den kicker lese? Naja, sicherlich wegen Sätzen wie „Steil stieg das Leder in den Nachthimmel von Glasgow.“ Wegen „Karl-Heinz Heimann dreht den Scheinwerfer“, dem Non-Plus-Ultra der Tutigkeit im Sportjournalismus. Und wegen dem bizarren Namenszwang in den Artikelüberschriften. Zur Kostprobe mal nur die Überschriften der Artikel über die Spiele der 1. Bundesliga der heutigen Ausgabe:
Bordon gesperrt – und dennoch im Glück
Ernst: Bewerbung für Dortmund
Beauchamp hat noch Schwächen
Bader: „Wir geben keinen ab“
Schlaudraff: Auch Bayern mischt nun mit
Takahara läßt Bruchhagen staunen
Stroh-Engel erhält die Freigabe
Hoeneß vermisst ein Ungeheuer
Deisler: Keine Wunder – aber eine gute Entwicklung
Delura: Tor ohne schmutzige Tricks
Jupp Heynckes im Aufwind, aber der Druck bleibt hoch.
Van Marwijk: Darum muss er 2007 gehen
Sahin wie einst in Wolfsburg?
Van der Heyden hat die Nase vorn
Augenthalers Nacht-Ansprache: „Bitter für die Moral“
Klose krönt seine Glanzleistung mit einem Jubiläum
Torschütze Simunic der Pechvogel
Rückkehrer Pantelic und Bastürk als Hoffnungsträger
Heldt: Attacke gegen Rafati
Osorio zwischen Schwäche- und Kälteeinbruch
Wach(e)-Ablösung: Wetklo nutzt seine Chance im Tor
Otto Addo sucht nach neuem Verein
Riesengeschenk zu da Silvas Rückkehr
Doll wirkt ratlos: Suche nach dem Retter
Bechmann: „Minimum 18 Punkte“
Marcel Maltritz: „Misimovic macht den Unterschied“
Dabrowskis passende Antwort auf die Kritik
McKenna: „So geht es nicht weiter“
Trotz Platzverweis Lob für 18jährigen Feick: Mit Arne ist zu rechnen“
„Verkehrte Welt“ für Cherundolo
Hecking rückt von Notkäufen ab: „Kein zwingender Handlungsbedarf“
Von Heesen: Das Dementi bleibt aus
Bollmann und die Chance zur Serie
Keine Einsatzgarantie für Kießling
Die Artikel selbst lese ich übrigens in den seltesten Fällen. Sie fallen gegenüber den Überschriften stark ab.

Bitte wieder grün…

Ja, ich weiß. Rot ist aggressiver, aus farbpsychologischer Sicht jederzeit vorzuziehen und die roten Auswärtstrikots der Nationalmannschaft sehen auch wirklich gut aus… Aber an den ollen grünen Trikots hängen soviele Erinnerungen an absolut grandiose Schlachten… Wirklich. Mir wäre grün lieber. Aber vielleicht bin ich ja nur ein alter Sack, der sich nicht mehr umstellen kann. Oder will. Trotzdem. Oder gerade deshalb. Grün ist besser.

Gröspaz

Seit ca. 40 Jahre guck ich mit heißem Herzen Fußball. Wenn irgendwo der Schiri pfeift und die Jungs anfangen, nach der Kugel und ihren Schienbeinen zu treten, bin ich dabei. Wenn ich konservativ schätze, hab ich in der ganzen Zeit mindestens ein Spiel die Woche geguckt. Dann wär ich also bei ca. 2048 Spielen, die ich mir im Stadion, im Fernsehen oder sonstwo angeguckt habe. Da aber diverse WMs und EMs und die Stadionbesuche bei den Bayern oder Blau-Weiß 90 die Statistik gewaltig in die Höhe getrieben haben dürften, muss ich fürchten, dass ich mir deutlich mehr als die doppelte Menge Spiele in voller Länge angeguckt habe, im Stadion oder im TV. Und welches war nun das beste, großartigste, spannendste, aufregendste… schlicht das Gröspaz, das Größte Spiel aller Zeiten? Das „Spiel des Jahrhunderts“, das Halbfinale 70 gegen Italien? Unglaublicher Kampf mit tragischem, ungerechten Ausgang! Finale EM 72 gegen Russland – die letzte Viertelstunde ist nach wie vor das grandioseste, was ich je von einer deutschen Nationalmannschaft gesehen habe, wie sie sich einfach nur die Kugel zugeschoben haben, während die Russen konsterniert zugeguckt haben… eisigste Perfektion für die Ewigkeit! Finale WM 74 – vermutlich Beckenbauers größte kämpferische Leistung, wie er die Bälle auf die Tribüne gedroschen hat, unglaubliche Reaktionen von Maier, das Siegtor von Müller nach wie vor einmalig: selbst in der Superzeitlupe sieht man nicht, wie er sich dreht. Er nimmt den Ball mit dem Rücken zum Tor an, und eine Tausendstelsekunde später schießt er in die andere Richtung. – Die Europapokalschlachten der Bayern in den 70er Jahren… Der HSV, der gegen Juve den Europacup holt… Wieder Bayern, wie sie unbegreiflich gegen Porto versemmeln… Andi Brehme, der in der römischen Nacht anläuft (Immer, wenn ich Gianna Nannini höre, seh ich seit dem den ollen Brehme anlaufen!)… die wunderbare EM 96, trotz Vogts… das 86er Finale, mein Gott, wenn der Toni Normalform gehabt hätte… das 02er Finale, mein Gott, wenn der Olli Normalform gehabt hätte… die 119. 2006 in Dortmund, der Dolchstoß, der vergiftete Pfeil der immer noch in meinem Herzen steckt… Hinter einer Partie müssen sie alle verblassen. Die grandiosesten 90 Minuten – eigentlich 45 Minuten, wenn man pingelig ist – meines langen Lebens als Fußballzuschauer verdanke ich ausgerechnet dem KFC Uerdingen.
Der damals, als dieses Land noch im Geld schwamm und die Pharmakologen aus Legokusen sich zwei Bundesligavereine leisten konnten, als „Bayer Uerdingen“ firmierte. Damals, das war der 19.3.86, und die Uerdinger empfingen Dynamo Dresden zum Rückspiel im Europacup der Pokalsieger. Das Hinspiel hatten sie in Dresden 0:2 vergeigt, und erwartungsfroh versammelten meine Fußballkumpels Patrick, Andi und ich uns vor dem Fernseher. Ein Nullzwo aufzuholen war jederzeit machbar, und deshalb versprachen wir uns ein aufregendes, offensiv geführtes Spiel, zumal Uerdingen seinerzeit von dem gern offensiv agierenden Kalli Feldkamp trainiert wurde und mit dem – meiner Ansicht nach vollkommen zu unrecht in Vergessenheit geratenen – Matthias Herget einen begnadet offensivstarken Libero aufbieten konnte. Also, vor dem Fernseher gemütlich gemacht, Pilsbier geknackt, und die Party konnte losgehen.
Zur Halbzeit diskutierten wir, in welcher Kneipe wir den Abend fortsetzen sollten. Das Spiel war durch, die Dresdner führten 3:1, Uerdingen war ausgeschieden, da konnte man sich doch am Tresen ein frisch Gezapftes gönnen, und von vergangenen Europacup-Schlachten schwadronieren. Gottseidank griff jedoch eine übergeordnete Macht (Assauers ungerechter Fußballgott?) ein und ließ uns „Nur noch 5 Minuten, vielleicht passiert ja doch noch was …“ vor dem Fernseher ausharren.
Ca. 45 Minuten später war mein Couchtisch Kleinholz (Ich hatte beidfäustig auf ihn eingehämmert, während ich ca. 10mal hintereinander „Das gibt’s doch nicht!“ gebrüllt hatte.), Patrick, Andi und ich lagen uns in den Armen und versicherten uns ein ums andere mal, dass wir „so etwas ja überhaupt noch nicht“ gesehen hätten. Die Uerdinger hatten in einem atemberaubend rauschhaften Sturmlauf in den zweiten 45 Minuten 6 Tore geschossen und die Dresdner mit 7:3 aus dem Europacup geworfen. Noch heute fehlen mir die Worte, um dieses unglaubliche Offensiv-Spektakel zu beschreiben, bei dem auf einmal alles, aber auch alles passte, was immer die Uerdinger auch anstellten. Und vor allen Dingen herrschte eine unglaubliche Stimmung. In der Grotenburg-Kampfbahn, in der Sprecher-Kabine des ausrastenden Kommentators und in meinem Wohnzimmer.
Ca. eine Viertelstunde nach Spielende klingelte es bei mir an der Tür. „Das ist Marjam!“ rief Patrick, „Das erledige ich!“ Marjam war seine damalige Freundin, die sich nicht für Fußball interessierte und deshalb die Spielzeit im Kino verbracht hatte. Patrick eilte zur Tür, riss dieselbe auf und rief: „Und das war jetzt das, was ich dir seit Jahren nahe zu bringen versuche: Erlebnis Fußball! Erlebnis Fußball, verstehst du? Aber du warst ja wieder mal nicht da!“ Sprach’s, knallte der vollkommen verdatterten Marjam die Tür vor der Nase zu und kam zurück zu uns ins Wohnzimmer. „Der lange Paß von Herget auf Funkel, unglaublich!“, meinte er. „Sowas hab ich ja überhaupt noch nicht gesehen.“
Ja. So ein Spiel war das.

Die Eisenpfanne

Eigentlich bin ich ja kein „Materialist“, was das Kochen anbelangt. Gesunder Menschenverstand, ein bißchen Wissen um Küchenchemie und -physik und – am allerwichtigsten – die Freude am Kochen und am Umgang mit den Produkten sind wesentlich wichtiger als bestimmte Küchengeräte oder Utensilien einer bestimmten Marke. Bei einem mache ich eine Ausnahme. Bei der besten Bratpfanne der Welt. Die muss aus Eisen sein.
Diese Erkenntnis und damit das Glück, die beste Bratpfanne der Welt zu besitzen, verdanke ich zwei Ärzten. Vor ein paar Jahren diagnostizierte meine damalige Hausärztin bei mir einen leichten Eisenmangel und verschrieb mir irgendwelche Tabletten, die mich zwar mit Eisen versorgten, jedoch meine Verdauung durcheinander brachten. Ich klagte einem befreundeten Mediziner, der sich gern mit „Dr. Mabuse“ am Telefon meldet, mein Leid, und der gab mir den Rat, die Tabletten weg zu werfen und mir eine Eisenpfanne zu besorgen.
In einschlägigen Haushaltswarengeschäften erntete ich mit meinem Begehr nur Kopfschütteln. „So etwas“ (Anführungszeichen deutlich mitgesprochen“) gäbe es schon lang nicht mehr. Warum ich mich denn mit so einem schweren, archaischen Monstrum herumärgern wollte? Es gäbe doch so „praktische“ (diese Anführungszeichen pflege ich mitzusprechen) beschichtete Pfannen, die wären gerade im Angebot.
Bei Manufactum wurde ich schließlich fündig, überraschenderweise zu einem Preis, den man diesem Haus eigentlich nicht zutraut. Für knapp 20 Euro konnte ich dort eine Eisenpfanne von de Buyer erstehen.
Bevor man mit einer Eisenpfanne arbeiten kann, muss man sie kräftig mit Soda ausschrubben, um den Korrosionschutz zu entfernen, der in der Eisenpfannenfabrik aufgetragen wurde. Ist das bewältigt, geht es immer noch nicht los, denn die Pfanne muss eingebraten werden. Das hört sich komplizierter an, als es ist. Einfach nicht zu knapp Öl in der Pfanne richtig heiß werden lassen, und eine Handvoll Kartoffelschalen (wenn keine Kartoffelschalen zur Hand sind, tun es auch ein oder zwei Brotscheiben), nicht zu knapp gesalzen, darin braten, bis der Boden der Pfanne sich zu verfärben beginnt. Die Kartoffelschalen rausnehmen, wegwerfen und die Pfanne mit einem Küchenpapier auswischen. Jetzt ist die Pfanne betriebsbereit.
Eine Eisenpfanne darf nicht mit Spülmittel in Berührung kommen. Nach der Benutzung wird sie mit Küchenpapier ausgewischt, bzw. bei hartnäckiger Verschmutzung mit heißem Wasser und Bürste bearbeitet. So bildet sich mit der Zeit eine Patina in der Pfanne, die sozusagen die Mutter aller Beschichtungen ist. Quatsch, was schreib ich, die Patina dieser Eisenpfannen entlarvt die Erfinder moderner Teflon-, Silverstone- oder Wasweißichschon-Beschichtungen als notorische Lügenbolde, denn keine moderne Beschichtung kann einer Eisenpfannenpatina auch nur annähernd das Wasser reichen. Wer schon mal erlebt hat, wie sanft ein Omelette aus so einer Pfanne gleitet, der verwendet den angeblich aus der Raumfahrtforschung stammenden Murks nur noch unter Gewaltandrohung.
Omelette in der Eisenpfanne
Und die Bratkartoffeln, die diese Pfanne ganz von alleine produziert, goldbraun verkrustet außen, zartcremig schmelzend innen, solche Bratkartoffeln hab ich noch in keiner anderen Pfanne hinbekommen.
Mittlerweile verwende ich beinahe ausschließlich Eisenpfannen für meine tägliche Braterei: Ob Fisch, Fleisch, Bratkartoffeln, Omelettes… nichts hängt, nichts klebt, alles gelingt, und pflegeleicht ist die Eisenpfanne auch noch. Einziger Wermutstropfen: Sie ist schwer. Wirklich schwer. Aber dafür brauch ich keine anderen Küchenprobleme zu stemmen. Und Eisenmangel ist auch kein Thema mehr.