Splitterbrötchen (CCXV)

In keiner seiner Reden hierzulande hat der Papst etwas gesagt, was bei mir eine Reaktion jenseits des Achselzuckens hervorgerufen hätte. Egal, was Journalisten schreiben oder Exegeten analysieren: hier ist einfach ein nicht sonderlich sympathischer alter Mann vorbeigekommen, um ein paar Allgemeinplätze zu verklappen. Banale Sachen werden nicht plötzlich profund, bloß weil ein Papst sie sagt.

Für Menschen, die sich mit dem Handwerk der Schauspielerei auskennen, ist das Betrachten der Arbeit Matthias Brandts die reine Freude.

Unmöglich gemacht haben sich diese Woche Fa. Groupon (versuchte, mir ein Silikonarmband zu verscheuern, mit dem ich „meinen individuellen Lifestyle prägen“ kann), Fa. Vistaprint (belohnt nach einmaliger Bestellung meine Treue) und – natürlich – die Bahn, die mir eine Postkarte schickt, um mir mitzuteilen, dass sie zwischen Berlin und Hannover 130.000 Schwellen erneuert hat.  Big Deals überall.

Mein Kalauer zündender Wortwitz der Papst-Woche: Die Nacht der langen Messen.

Ich dachte immer, dass es eines gewissen Niveaus bedarf, die ZEIT sinnentnehmend zu lesen. Um ihr Online-Angebot zu kommentieren, scheint allerdings gar keins nötig zu sein, wie der Kommentatorenkrieg rund um ein Günther-Jauch-Interview zeigt. Kann ja nicht wahr sein!

 

Splitterbrötchen (CCXIV)

Diese Woche 70 geworden: Eckhard Henscheid, einer der größten, komischsten Autoren der Gegenwart. Ich les ihn, seit ich ihn zu ersten Mal lesen hörte: Mitte der Siebziger Jahre, im frisch eröffneten Zweitausendeins-Laden in der Schwabinger Türkenstraße. Er las aus „Die Vollidioten“ und „Geht in Ordnung, sowieso, genau“.  Ich wäre beinahe erstickt. Vor Lachen, und weil sich geschätzte hundert Menschen in den winzigen Laden reingedrängelt hatten.

Vor ein paar Tagen bin ich einer nordicwalkenden Seniorengruppe begegnet, die nebeneinander walkend den Weg durch den (für Radfahrer zugelassenen) Parkweg versperrten und sich weigerten, Platz zu machen. Wenn die drauf kommen, dass sie die Stöcke auch als Waffe benutzen können, kann das im Grünen richtig lustig werden.

Heute sind Wahlen in Berlin. Als ich mir Gedanken darüber machte, wenn ich denn diesmal wählen sollte, merkte ich, dass Programme, Überzeugungen und ähnliches Gedöns überhaupt keine Rolle mehr bei meiner Wahlentscheidung spielen. Ich wähle nur noch taktisch: wen kann ich mit meiner Stimme eventuell stärken, wen schwächen (Ja, ich bilde mir tatsächlich ein, dass meine Stimme etwas bewirkt)? War ein weiter Weg von „Willy wählen!“ bis heute.

Das Zitat der Woche stammt vom amerikanischen Astrophysiker Neil deGrasse Tyson:

First of all, let’s clarify what the NASA budget is. Do you realize that the $850 billion dollar bailout, that sum of money is greater than the entire 50-year running budget of NASA?
And so when someone says, „We don’t have enough money for this space probe,“ I’m asking, no, it’s not that you don’t have enough money, it’s that the distribution of money that you’re spending is warped in some way that you are removing the only thing that gives people something to dream about tomorrow.
You remember the 60s and 70s. You didn’t have to go more than a week before there’s an article in Life magazine, „The Home of Tomorrow,“ „The City of Tomorrow,“ „Transportation of Tomorrow“. All of that ended in the 1970s. After we stopped going to the Moon, it all ended. We stopped dreaming.

Splitterbrötchen (CCXIII)

In den zehn Jahren seit 9/11 hat sich die Welt deutlich weniger verändert, als ich erwartet hatte. Trotzdem wird mir immer noch schlecht, wenn ich Bilder der Anschläge sehe.

Schon ziemlich erstaunlich: Dass die ZEIT-Online-Krawall-Kommentatoren brav dort bleiben, anstatt Wolfram Siebeck auf sein eigenes Blog zu folgen. Dabei beschweren sie sich doch so gern über ihn… Können die nur bei der ZEIT? Oder haben sie Siebeck noch nicht gefunden?

Die Weisheit der Woche kam aus der 2. Staffel von „Mad Men“: „Hören Sie auf, mit Textern zu texten!“

Dank Internet und immer leistungsfähiger Software verschwinden die sogenannten Berufsgeheimnisse rapide. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das gut oder doch schlecht ist.

 

 

Splitterbrötchen (CCXII)

Bei der ARD ist „Experiment“ endgültig zum Synonym für „stinklangweilig“ geworden.

Den magischen TV-Moment der Woche erlebte ich bei „Anne Will“, als die Namensgeberin dieser Talkshow folgenden erhellenden Dialog mit Sido führte:
Frau Will: „Ist ‚Augen auf‘ schon eine Entwicklung, also etwa im Vergleich zu dem Arschfick-Song, den Sie auch gemacht haben und wo sie inzwischen nicht mehr sagen, dass Sie darauf total stolz sind, oder?“
Sido: „Ich bin stolz auf den Arschfick-Song, natürlich!“

Diese Woche entdeckt: die Wien-Krimis von Martin Mucha.

Mittlerweile ist es praktisch unmöglich, ein Drehbuch mit einem Raucher als Protagonisten zu schreiben. Zu umständlich. Der muss zum Nachdenken immer ins Freie gehen.

Diese Woche erst entdeckt: Julie London. Wie konnte ich diese Dame fuffzich Jahre lang verpassen?

 

 

 

Splitterbrötchen (CCXI)

Mein Verhörer der Woche: „Da Vincis ‚Dame mit Hammelniere'“.

Möglicherweise ein älterer Spruch, ich hab ihn gestern erst gehört und mich weggeschmissen: Was will ich denn mit einem Sixpack, wenn ich ein Fass haben kann?

Ganz sensationell: Wolfram Siebecks Blog. Viel schärfer, pointierter und bissiger als das, was er in den letzten Jahren in der ZEIT geschrieben hat. Und bessere Themen wählt er auch.

Die Offenbarung der Woche: Am Asado-Kreuz gegrilltes Lamm und Spanferkel. Hab ich bei einem Lagerfeuerkochkurs bei Carsten Bothe kennengelernt. Zarter, saftiger, Quatsch: Besser geht nicht.  Mach ich demnächst was ausführliches drüber.

 

Splitterbrötchen (CCX)

In Naumburg gehört – ein wunderschönes Wort für einen Durchgang zwischen zwei Straßen: „Da gehen Sie da hinten einfach durch die Schlüppe…“

Das Zitat der Woche stammt von Regie-Genie Hans Neuenfels, der uns im ZEIT-Interview darüber aufklärte, wie das war, als er merkte, dass er zum Regisseur geboren war: „Ja, das war in einer Waschküche in Essen-Werden, als ich an der Folkwangschule studierte. Meine damalige Vermieterin arbeitete als Prostituierte, und eines Nachts beobachtete ich zwei Freier beim Onanieren.“

Dem Vernehmen nach soll Dietmar Hopp, Hoffenheim, ja irgendwas mit Software zu tun haben. Vermutlich war dieser Klapperatismus, mit dem er den Gästeblock in seinem Stadion beschallen ließ, nur ein Testlauf für ein zukunftweisendes Plug-In, mit dem man im Internet unliebsame User-Kommentare auspiepen kann.

 

Splitterbrötchen (CCIX)

Bei Twitter gesehen: „Noch 1 Jahr bis London 2012 – Unterstütze dein Lieblingsteam und fülle das Olympische Stadium mit Tweets“. Lieblingsteam bei Olympischen Spielen? Stadium? Mit Tweets füllen?

Ärgernis der Woche war – natürlich – der Alarmismus bei Spiegel-Online inkl. Börsen-Liveticker, der binnen zwei Stunden zwischen „Historischer Crash, Schwarzer Montag“ und „Dax macht Verluste wieder wett“ mäanderte.

Das Zitat der Woche stammt von Russell Brand(!): „If we don’t want our young people to tear apart our communities then don’t let people in power tear apart the values that hold our communities together.“

Duplizität der Ereignisse: Auch den Schwachfug der Woche fanden wir in einem Spiegel-Online-Liveticker, diesmal zum Bau der Berliner Mauer. 50 Jahre her? Kein Problem, vertickern wir trotzdem und nennen es „Historisches Live-Protokoll“. Herr, solltest du doch noch mal Hirn vom Himmel schmeißen wollen, Hamburg liegt 53° 33′ N, 10° 0′ O.

Einer der Menschen, die ich vorbehaltlos bewundere, ist David Crosby. Heute wird dieser ewig junge Mann unfassbare siebzig Jahre alt.

 

 

Splitterbrötchen (CCVIII)

Der liebe Bundesinnenminister Friedrich fordert das Ende der Anonymität im Internet. Ich wage nicht, ihn zu fragen, wie er das technisch und organisatorisch bewerkstelligen will, vor der Antwort fürchte ich mich ernsthaft. Statt sinnloser Fragem rufe ich ihm stattdessen zu: Weiter so! Als nächstes brauchen wir Einlasskontrollen bei Demonstrationen und die Ausweispflicht dortselbst. Die Demokratie ist kein rechtsfreier Raum, Sie Nasenpeter!

Ich sollte mich nicht darüber wundern, tue es aber trotzdem: Wie gering Politiker die eigene Glaubwürdigkeit schätzen.

Und dann war da noch dieses ungarische Duo in der Podersdorfer Grube, dass sich durch jede Menge Operettenmelodien geigte und cymbalte, um plötzlich und unvermittelt „Que sera“ zu intonieren. Hommage an Budapests große Diseuse Doris Dösz?

Möchte wer nach Google+? Mir gefällt’s da, und ich hab noch jede Menge Einladungen übrig. Hier klicken, viel Spaß beim Einkreisen.

Splitterbrötchen (CCVII)

Die Idiotie der Woche gelang dem Bewertungsportal „qype“. Dort kann man jetzt Plätzen „folgen“.

Geniale Facebook-Kleinanzeige: „Vermiete deine Unterkunft an Tennisspieler und lerne nette Leute kennen.“

Blödsinniger, fauler Kompromiss in Schwäbisch Gmünd: Statt dem Tunnel will man nun ein Schwimmbad nach Bud Spencer benennen. Dabei wäre es doch so einfach gewesen: Einfach einen zweiten Tunnel neben den ersten bohren und das Ensemble „Zwei-Himmelhunde-auf-dem-Weg-zur-Hölle-Tunnel“ nennen.

Problem: Gescheibelte Radieschen unfallfrei und unauffällig vom Frühstücksbuffet auf meinen Teller zu bekommen. Wieso hat WMF für diese Herausforderung eigentlich noch kein Spezialwerkzeug auf den Markt gebracht?