40 Zehen westwärts

Das 40-Zehen-Knoblauch-Huhn ist das bekannteste unbekannte Gericht der Welt. Beinahe jeder Mensch hat schon mal von diesem Rezept gehört, über 90 Prozent der Menschen meines Bekanntenkreises äußern sich wortreich und lautstark über dieses Gericht, ohne es je probiert zu haben: „Um Himmels willen, 40 Knoblauchzehen! Wer soll denn das essen? 40 Zehen! Kein Wunder, dass das Abendland zugrunde geht. 40 Knoblauchzehen, das ist das Ende der Zivilisation, Ragnarök steht unmittelbar bevor, 40 Zehen, um Himmelswillen!“
Wer dieses Gericht schon mal gekostete hat, sagt solch aufgeregten Unfug natürlich nicht. Dieses Huhn mit 40 Zehen (gehen übrigens auch 60, 80 oder mehr, solange das Huhn unter‘m Knoblauch noch zu sehen ist) ist eine der einfachsten Möglichkeiten, ein Huhn so zuzubereiten, dass alle Leute am Tisch die Augen verdrehen. Es riecht und schmeckt so dezent, dass selbst vorbeilaufende Knoblauchverächter nicht merken, was da im Schmortopf brutzelt und – wenn man sich zusammenreißt und nicht mehr als 4 bis 5 Zehen ist – strahlt man selbst am nächsten Tag auch nicht den berüchtigten Knoblauchdunst aus.
Huhn
Man benötigt ein Huhn von anständiger Qualität, ich kaufe immer die Viecher aus der Loué, die haben eine mehr als anständige Qualität. Es muss nicht unbedingt die Bioqualität sein, aber der 1,8-Kilo-Kawenzmann im Foto war vom Stamme Bio. Nicht billig, aber jeden Cent wert. Dazu braucht man noch die erwähnten 40 Knoblauchzehen (gerne mehr, wie gesagt), am besten geschält. Es gibt Varianten des Gerichts, da werden sie ungeschält dazu gegeben. Ist natürlich eine feine Sache für Faulpelze wie mich, aber ich finde es furchtbar umständlich, die Dinger auf dem Teller aus ihren Schalen zu pulen, die dann im leckeren Bratensaft rumschwimmen. Nö. Muss nicht sein. Lieber vorher schälen. Zehen vor sich ausbreiten, einmal kurz mit dem Messer oder dem Handballen draufdrücken, bis es knackt, dann flutschen sie meistens problemlos aus der Schale, und die 40 Dinger hat man dann in zehn Minuten gepellt.
Huhn bratfertig vorbereiten, innen und außen pfeffern und salzen, bißchen Zitronensaft bißchen Thymian ins Hühnerinnere geben. Olivenöl in den schweren Schmortopf auf mittlere Hitze bringen und das Huhn langsam von allen Seiten anbraten. Anbraten heißt, dass es eine schöne braune Farbe bekommen soll (nicht schwarzer Kreis im weißen Feld) und langsam heißt, dass diese Prozedur sich ca. zwanzig Minuten lang hinziehen sollte.
Huhn kurz raus aus dem Topf, Fett abgießen, die 40 Knoblauchzehen anschwitzen, mit einem Schuss Weißwein (soll nur ganz wenig Flüssigkeit im Topf stehen) ablöschen, Huhn wieder in den Topf, dicht schließenden Deckel drauf und ab in den Ofen der so 140, 160 Grad (Gas 3) haben sollte. Wenn‘s im Topf braust oder brodelt, ist dem Huhn zu heiß! Nach 30, 40, 50 Minuten im Ofen (je nach Größe des Huhns) nimmt man den Deckel ab, lässt noch eine Viertelstunde bräunen und das war‘s. Das Huhn sollte jetzt in etwas so wie auf dem Bild aussehen. Dann läßt man es noch zehn Minuten ausruhen, bevor man es tranchiert.
Knoblauch
Und das, was noch im Topf ist, dieses unglaubliche Konglomerat aus Olivenöl, Wein, Hühnerfond, Zitronensaft und Knoblauch, das füllt man in eine Sauciere und stellt sie auf dem Tisch möglichst weit weg von mir. Weil ich sonst vom Huhn nix nehme und die Zehen alleine aufesse (Hab ich tatsächlich mal gemacht. Hatte dann ziemlichen Durst, hab nicht sonderlich gut geschlafen und am nächsten Tag ein neues Kapitel in der Geschichte des Körpergeruchs geschrieben).
Mehr ist nicht. Das einzige Problem dieses sensationellen Essens: es passt keine Beilage. Deshalb vorher einen Salat o.ä. reichen und dann das Huhn, wie es ist, mit dem Knoblauch, und nur ein bißchen Baguette dazu. Man glaubt, man ist im Paradies. Und – wie gesagt – man riecht hinterher nicht. Wenn man sich zusammenreisst. Aber wer tut das schon?

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