Splitterbrötchen (CCCLV)

Die Saat geht auf, die Herr Schily vor über zehn Jahren mit seinen Anti-Terror-Paketen gepflanzt hat: Die Unschuldsvermutung verschwindet aus dem Rechtsleben und dem öffentlichen Bewusstsein, die Vorverurteilung gehört zu unserem Alltag. Und dies ist erst der Anfang einer unseligen Entwicklung.

Ich kann nicht erfolgreich „erfolgreich“ tippen. Ich tippe „erfoglreich“ und korrigiere das anschließend erfolgreich in „erfolgreich“.

In dieser Woche den nächsten Schritt auf dem Weg zur Vergreisung getan. Die werte Frau Kaltmamsell hat ein Plakat, dass ich als Student noch in der Münchner U-Bahn hab hängen sehen, als „archäologisch“ bezeichnet. Und beim Betrachten des Musikvideos einer Band, die laut Spex der nächste hot shit ist, hab ich „Aber das ist doch nur Krach…“ gedacht, bevor ich es verhindern konnte. Das Endspiel hat begonnen.

Der Geniestreich der Woche gelang Margita Broich, die demnächst für den Hessischen Rundfunk als Tatort-Kommissarin an den Start geht. Die will ihre Kommissarin nach einem Nazi-Opfer benennen lassen. Ja. Doll. Und wenn das zum Trend wird? „Anne, holst du mal den Wagen?“ – „Ist noch Kaffee da, Scholli?“

 

 

Splitterbrötchen (CCCLIV)

Zum Hochzeitstag haben wir uns eine Wallfahrt Reise nach Malente gegönnt. Was für ein traumhaft gelegener Ort! Da fahren wir öfters hin, haben wir bei der Abreise gesagt.

Das Behelligen seiner Mitmenschen mit platten Binsenweisheiten ist kein Kavaliersdelikt!

Aus Eigenbau-Bouillon und Resten vom Selbstgebackenen Brotsuppe gekocht, um Himmelswillen, war das gut! Und nach 4, 5 Löffeln war ich pappsatt, man ist diese Mächtigkeit nicht mehr gewöhnt.

Die angeblich letzte Harald-Schmidt-Show diese Woche. Was das Feuilleton nie begriffen hat: Schmidt ist kein Intellektueller, sondern ein Schauspieler, der einen Intellektuellen spielt.

All den Menschen, die nicht verstehen, warum Uli Hoeneß für seine Entscheidung, auf die Revision zu verzichten und ins Gefängnis zu gehen, Respekt gebührt, zur Erinnerung: Helmut Kohl. Karl Theodor zu Guttenberg. Alice Schwarzer. Wolfgang Schäuble. Ich kann die Liste verlängern.

Auch nicht vergessen: „Unique“ ist kein Wort der deutschen Sprache.

In dieser Woche jährte sich die erste Eheschließung zwischen Liz Taylor und Richard Burton zum fünfzigsten Mal. Ich musste daran denken, dass ich als Sechsjähriger mit meinen Eltern Urlaub auf Ischia machte, als dort „Cleopatra“ gedreht wurde. Mit offenem Mund stand ich im Hafen und bestaunte die riesigen „antiken“ Schiffe, die dort lagen. Nein, das waren keine Attrappen oder Miniaturen. Man hatte die Schiffe der damaligen Zeit in Originalgröße nachgebaut. Hier sind ein paar Fotos zu sehen. Im fertigen Film waren die Schiffe eher sekunden- denn minutenlang zu bewundern.

Das Bild der Woche: der leere Sitz in der Allianz-Arena.

 

 

 

Splitterbrötchen (CCCLIII)

Die Insolvenz der Münchner Abendzeitung ließ Wehmut aufkommen: Was war das damals – in den Siebzigern – für eine Zeitung. Tolles, populäres (!) Feuilleton von beachtlicher Wirkungsmacht (’ne gute Kritik in der AZ garantierte meist ein paar Wochen lang volle Hütte im Theater), und – natürlich – die zwischen Bierdimpfligkeit und Grand Guignol changierenden Seite-1-Aufmacher. Eisige Perfektion und Unsterblichkeit errang die AZ mit „Preuße verliebt sich in Trachtlerin – 3 Tote!“

Wieder mit dem Brotbacken begonnen. Sauerteig gezüchtet, 5-Minuten-Brote gebacken… macht wieder Spaß. Und schmeckt.

„Brätling“ ist eins der unappetitlichsten Worte, die ich kenne. Einen Brätling würde ich nie essen oder zubereiten wollen.

Endlich „Star Trek Into Darkness“ gesehen. Zu Dreivierteln wirklich gelungenes Popcorn-Kino. Blödsinnig das ziellose In-die-Gegend-Emotionalisieren des jungen Spock. Nimmt der Figur alles „Faszinierend“e.

Wenn Schriftsteller schrieben, was sie tatsächlich denken, würden kaum noch Bücher verkauft werden.

Splitterbrötchen (CCCLII)

Die Hitliste meiner Lieblings-TV-Köche führt seit einiger Zeit Nigel Slater an. Mit Abstand.

Eine halbe Stunde Lebenszeit beim Wechsel eines klemmenden Halogenspots aus einer IKEA-Lampe (ca. 2 mm  Platz zwischen Lampenschirm und Spot) verloren. Auf die an sich einfache und logische Idee (olle Plastikdose, Klebstoff) bin ich erst Tage später gekommen.

Für exakt diesen Zweck werden übrigens u. a. bei amazon spezielle Saugnapf-Werkzeuge verkauft. Für 9 Euro und ein paar zerquetschte. Wäre ich ein quengeliger alter Mann würde ich jetzt „9 Euro fürs Wechseln einer Glühbirne!“ ausrufen.

Erstaunen beim Wiederansehen von „Dirty Harry“: Ich hatte die durchaus beeindruckende Bild-Ästhetik komplett vergessen.

In dieser Woche jährte sich zum 50. Mal der Augenblick, als Sonny Liston nicht mehr zur 7. Runde antrat und Cassius Clay, der spätere Muhammad Ali, Weltmeister wurde. Die unglaubliche Faszination dieses Kampfes ist heute nicht mehr nachvollziehbar. In meiner Familie wurde aus diesem Anlass zum zweiten Mal1 überhaupt der Fernseher am frühen Morgen eingeschaltet. Die ganze Welt interessierte sich plötzlich für den Boxkampf zwischen zwei Männern, die man hierzulande – wenn überhaupt – nur von kurzen Filmschnipseln aus der sonntäglichen Sportschau kannte. Mit dem Gong zur ersten Runde wurde der Globus etwas kleiner: die Menschen rückten zusammen. Nach dem Ende des Kampfes waren wir elektrisiert: Einen wie den neuen Champion hatte es vorher nicht gegeben. Die Welt hatte sich verändert.

 

  1. das erste Mal war bei der Ermordung John F. Kennedys

Splitterbrötchen (CCCLI)

Der Presserat sorgte diese Woche für Aufregung der maximal Weltergewichts-Klasse, als er anregte, Kommentare in Internetforen künftig wie Leserbriefe zu behandeln. Ich habe einen ergänzenden Vorschlag: Bitte zu Beiträgen, in denen es im weitesten Sinne um moderne Kunst geht, überhaupt keine Kommentare zulassen. Man schützt die Banausen davor, sich öffentlich zum Affen zu machen, und senkt den Blutdruck der Kunstfreunde.

Die Enttäuschung der Woche fand sich in der aktuellen Ausgabe des 11-Freunde-Magazins. Ein schönes Interview mit Horst Ehrmantraut aber… kein Wort, keine Frage zu seiner Trainerzeit bei Blau-Weiß 90? Bin ich denn wirklich der letzte Fan Deutschlands, der noch an die Blau-Weißen denkt?

Es versuchen derzeit Menschen den Rechtsstaat zu lenken, die gar nicht wissen, was ein Rechtsstaat ist. Das kann nicht gut gehen.

Ich habe diese Woche einiges geschrieben und veröffentlicht, z. T. Geschichten, die ich lange recherchiert und zu denen ich mir sehr viele Gedanken gemacht habe. Die größte Resonanz meiner Arbeiten erhielt das Foto eines Windbeutels.

Es besteht übrigens ein Unterschied zwischen „sich lange Gedanken machen“ und „sich viele Gedanken machen“. Insbesondere, wenn verschiedene Menschen es tun.

Das Wort der Woche schuf der österreichische Verteidigungsminister: „situationselastisch“. Ich verneige mich.

 

 

 

Splitterbrötchen (CCCL)

Vor bald vierzig Jahren habe ich gelernt, wie man einen Bühnenvorhang ruckelfrei auf und zu zieht. Dieses Wissen nutze ich noch heute, wenn ich die Rolläden vor unseren Fenstern nach oben schnurren lasse. Ohne den winzigsten Ruckler.

An alle, die mit dem Finger auf die Schweiz zeigen: Wie wäre wohl hierzulande eine Volksabstimmung zum Thema Zuwanderung ausgegangen?

Immer, wenn man denkt, dämlicher geht’s nun wirklich nicht mehr…

Die überflüssige Aufregung um die Kopenhagener Giraffe geht komplett á conto einer hemmungslos verblödeten Journaille. Was gab’s denn da bitte zu berichten? Dass ein Zoo ein Tier geschlachtet hat, um es an Raubtiere zu verfüttern? Wie wär’s mal mit der Mitteilung von Neuigkeiten?

 

Splitterbrötchen (CCCXLIX)

Nicht zuletzt wegen Puy, Beluga und Co. wird die gemeine braune Tellerlinse mittlerweile unterschätzt. Ohne ihr Kochwasser verwendet schmeckt die richtig fein und nussig.

„Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt!“ trompetet’s allüberall. Nun denn, welche Straftat kann man in dieser Zeit umfassender Empörung bitteschön noch als Kavaliersdelikt bezeichnen?

Ansonsten stand die Woche im Zeichen des Relaunches meiner Verlagswebsite nebst angeflanschtem, von Blogger umgezogenem Schreibblog. Es lässt sich gut an, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich die Postingfrequenz durchhalten kann.

Und die Mahlzeit der Woche: Spiegelei mit Spinat und Bratkartoffeln in der Stammkneipe. Warum gönnt man sich diese Superdelikatesse so selten?

Splitterbrötchen (CCCXLVIII)

Der dämlichst mögliche Ratschlag: Einem ungeschickten Menschen sagen, er solle das nächste Mal „besser aufpassen“. Wenn er das könnte, wäre er ja nicht ungeschickt.

„Dabei leben in Berlin gut ausgebildete Bulgaren“, schrieb der Tagesspiegel diese Woche. Interessantes Konzept. Vielleicht lass ich mich auch mal zum Bulgaren ausbilden.

Genauso sinnlos, aber noch ärgerlicher: Die Suche nach einem Schuldigen, wenn etwas schiefgegangen ist. Was hat man davon? Bringt es irgendwas, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und zu rufen „Der war’s“? Wichtig ist, den entstandenen Schaden zu begrenzen und dafür zu sorgen, dass der Fehler nicht so einfach noch mal geschehen kann. Alles andere ist schlicht Zeitverschwendung.

Für Verwirrung sorgte Fa. Aldi mit dem Produkt „Kopfschmerz Roll-on“. Wieso Kopfschmerzen zum Aufrollen wie ein Deo? Wären Kopfschmerzen in der Sprühdose nicht viel hygienischer?

Eine bei uns derzeit sehr beliebte Gemüsebeilage: Zwiebelringe, Knoblauchscheibchen, Zucchini-Scheiben, Paprikaringe und entkernte Tomaten in der Pfanne zu leichter Bräune gebraten, abschmecken mit HdP (alternativ Kreuzkümmel) und reichlich Cayenne, gekochte Linsen unterrühren, vollenden mit Zitronensaft und gutem Olivenöl. Bisschen Schafskäse reinbröckeln schadet nix, Harissa kommt auch gut.

Bei Herrn Buddenbohm ist von Mecki-Bänden die Rede. „die vermutlich noch von Opa stammen“. Meine Mecki-Sammlung steht übrigens neben mir im Regal. Dies nur so nebenbei.

Magischer Moment: Als die Android-Rechtschreibprüfung aus „Sardellenpaste“ „Sternenklare“ machen wollte. Auch das profanste Wort kann randvoll mit poetischer Energie aufgeladen sein.

 

 

Splitterbrötchen (CCCXLVII)

Sehnsüchtiges Warten auf den ersten Vorboten des Frühlings: den fallenden Gurkenpreis.

Ich hab es schon ein paar Mal gesagt und geschrieben, ich muss es wohl noch mal tun: Ihr KÖNNT einem Geheimdienst das Überwachen nicht verbieten. Geheimdienste wurden erfunden, um zu überwachen und Verbote zu umgehen, die sie daran hindern sollen. Wenn ihr wollt, dass jegliche Überwachung aufhört, dann müsst ihr die Geheimdienste auflösen. Wie, geht nicht? Ist illusorisch? Ja. Durchaus.

Wenn ich die Wahl zwischen dem Unterzeichnen einer Petition und dem Wechseln des TV-Programms habe, dann greife ich zur Fernbedienung. Man muss ja nicht immer übertreiben.

Beim ganzen Dschungelcamp-Wirbel um Larissa ist die eigentliche Sensation untergegangen: Es ist Frau Schumann offenbar gelungen, eine funktionierende Tarnkappe zu erfinden.

Ken Rosewall in Melbourne auf der Tribüne. Den hab ich noch spielen sehen. In Schwarzweiß. Minutenweise. Sonntags, in der Sportschau. Beste Rückhand aller Zeiten.

 

Splitterbrötchen (CCCXLVI)

Höchst erfreulicher, unterhaltsamer Auftakt zum diesjährigen Dschungelcamp. Mein Tipp fürs Finale: Melanie Müller, Tanja Schumann, Jochen Bendel.

Dringend Empfehlung für alle, die den Sender TNT-Serie empfangen können: Dort läuft gerade die 2. Staffel von „Lilyhammer“. Ein New Yorker Mafioso wird im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Lillehammer in Norwegen umgesiedelt und wendet dort seine gewohnten Geschäftsmethoden an.  Zum Brüllen komisch. Süchtigmachend.

Sollte das schonungslose Bloßstellen dummer Menschen nicht eigentlich zum Bildungsauftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gehören?

Kulinarisches Highlight der Woche: das erste Raclette dieses Winters. Bahnbrechende Neuerung dabei: Nürnberger Rostbratwürstchen, gescheibelt unter dem Käse.

Pünktlich immer haargenau dann, wenn man „So eine Riesenpfeife kann Obama doch gar nicht sein…“ denkt, profiliert er sich als noch größere Riesenpfeife.

Hat es wirklich halbwegs intelligente Menschen gegeben, die glaubten, die Geheimdienste würden sich NICHT für all das interessieren, was so ins Internet geschrieben wird? Ihr Schlauberger werdet’s kaum glauben, aber bevor es das Internet gab, hat der Verfassungsschutz beinahe jeden Fetzen Papier vom Flugblatt bis zur Stadtteil- oder Schülerzeitschrift nach verfassungsfeindlichem Gedankengut durchforstet. Die haben sogar das Briefgeheimnis gebrochen und Telefone abgehört, damals! Und damit sollen sie aufgehört haben, weil irgendjemand das Internet erfunden hat? Mammamia, denkt doch mal fünf Minuten nach, bevor ihr die Larmoryanz-Pumpe einschaltet.