Mit Karte

Kreditkarte
Es gab mal eine Zeit, da war eine Kreditkarte genau das, was der Name ansagte: Eine Karte, mit der man belegen konnte, dass man kreditwürdig war. Wenn eine Rechnung zu bezahlen war, wurde die Karte in eine Schraddelapparatur gelegt, ein Belegformular wurde drüber geschraddelt, man unterschrieb den Beleg und hatte bezahlt. Wunderbar.
Doch dann erfand irgendjemand die Datenfernübertragung. Und die Kontrollfreaks in den Banken kamen auf die Idee, dass es nicht genügt, nur einmal im Monat nachzugucken, ob der Kerl, der die Karte hat, noch kreditwürdig ist. Warum nicht jedesmal nachgucken, wenn der freche Kerl mit seiner Karte bezahlt? Und das Sterben der Schraddelappaturen begann, denn die Schraddelapparatur wurde durch das Durchziehdingsbums mit Modemanschluß ersetzt, mit dem nun bei jedem Bezahlvorgang Kartennummer, aktueller Kontostand, Schuhgröße der Lebensabschnittsgefährtin und Innentemperatur der zum Unterschreiben benutzten Kugelschreibermine ein paar Mal auf der Datenautobahn hin- und hergefahren werden.
Der Karteninhaber hat also gar keinen Kredit mehr, sondern nur ein Instrument mit dem jederzeit nachgefragt werden kann, ob er noch Kredit hat. Und damit ist auch der Vorteil des schnellen, unkomplizierten bargeldlos Bezahlens dahin. Denn wie sieht denn der normale Bezahlvorgang mit sogenannter Kreditkarte heutzutage aus?
Die vor mir in der Supermarktkassenschlange stehende Kundin zückt eine vermutlich von einer kasachischen Privatbank ausgestellte und von Borat persönlich verschmutzte VISA-Karte, die mehrfach abgerieben und durch das Lesegerät gezogen werden muss, bevor sie sich endlich mit einem mysteriösen „Zentralsörfer“ (so Frau F. an Kasse 3 von Kaiser’s am Theo) verbunden hat. Mit gleichzeitiger Stentor- und Grabesstimme (ein Kunststück, das nur Frau F. beherrscht) verkündet sie nun, dass „er sie nicht will“. Da aber nun mal der wertvolle Kontakt zum „Zentralsörfer“ besteht, gibt Frau F. mit den Worten „Vielleicht frißt er’s so“ die Kredikartennummer händisch ein, woraufhin die Verbindung brüsk unterbrochen wird. „Letzter Versuch!“ trompetet Frau F. nun triumphal und zieht die Karte schwungvoll durchs Lesegerät, das angesichts dieser Drohung in die Knie geht und sofort eine Verbindung zum mittlerweile geheiligten „Zentralsörfer“ herstellt. Der löst – ob dieser Insubordination sicherlich vollkommen perplex – einen Zahlungsvorgang aus. Der Belegdrucker an Kasse 3 beginnt verheißungsvoll zu rattern, was Frau F. mit einem komplett sinnfreien „Ich sach’s ja!“ kommentiert. Beseligte Kunden geben sich dem Wahn hin, bald selbst an der Reihe zu sein und beginnen, ihre Waren auf das Transportband zu stapeln. Doch plötzlich schweigt der Belegdrucker. Der halb fertig gedruckte Beleg hängt ihm aus dem Schlitz, als wollte er uns Wartenden die Zunge herausstrecken. Wir halten minutenlang den Atem an. Hat der „Zentralsörfer“ den Zahlungsvorgang storniert? Ist in Kasachstan der aus Ziegenkot erzeugte Strom ausgefallen? Ist die Weltbank zusammengebrochen? Mit einem gelassenen „Nu wird’s aber langsam Zeit!“ bringt Frau F. die Weltfinanzlage wieder in Ordnung und den Belegdrucker zur Raison, der mit einem röchelnden Rattern sein Werk vollendet und den Papierstreifen verächtlich ausspeit. Die Kundin vor mir unterschreibt das mühsam erkämpfte Zeugnis ihrer Kreditwürdigkeit.
Ich trete erleichtert an die Kasse und bete, das ich genug Bares dabei habe, um nur ja nicht mit Karte bezahlen zu müssen.

[tags]Kreditkarte, Ungeheuer[/tags]

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