Splitterbrötchen (MXV)

Das Gefühl, endlich alles im Griff zu haben, signalisiert meist den Beginn des Kontrollverlusts.

„Das stimmt aber nicht, was Sie da sagen, das kommt sie teuer zu stehen.“ – Tut mir leid, ich hab keine bare Münze dabei.“ – „Dann schreiben Sie mir doch einfach einen Fakten-Scheck!“

Den kulinarischen Wochenhöhepunkt erlebte ich bei unserem bereits dritten Ausflug in die Welt der georgischen Küche, wieder im Stumari. Allerdings war’s diesmal nix mit raffinierter Würzung, es ging deftig-kräftig zur Sache: Shkmeruli, Huhn in Milch-Knoblauch-Sauce.

„Glückskeksspruchvorleser“. „Wärmepumpenmao“. Wenn Maschinist sich an Robert Habeck abarbeitet, läuft er zu großer Form auf. Chapeau!

Bruce Lee war ein außergewöhnlich schneller Mensch. Allerdings soll er zwei Brüder gehabt haben, die sogar noch schneller waren als er: Quick Lee und Sudden Lee.

Dem Tagesspiegel entnehme ich, dass es jetzt „Luxusforscher“ gibt. Natürlich war die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss: „Ob die käuflich sind?“

Ich lebe mittlerweile im Körper eines alten Menschen. Merkwürdiges Gefühl.

Wenn man sich für ein paar Minuten nach Irland träumen möchte, hilft die Beschallung durch das Irish Pub Radio enorm.

Unbegabte Menschen können nicht annähernd das erreichen, was den mit Talent Gesegneten möglich ist. Zum Ausgleich können sie wesentlich größeren ‚Schaden anrichten.

Mit der Entscheidung, dass Dubai-Schokolade aus Dubai kommen muss, hat das Landgericht Köln der bürgerlichen Gastronomie vermutlich den Todesstoß versetzt. Wirte, die außerhalb der jeweiligen Herkunftsorte Leipziger Allerlei, Pichelsteiner Eintopf, Königsberger Klops oder Hamburger Aalsuppe anbieten, stehen doch jetzt mit einem Bein im Knast!

Es ist schon beeindruckend, mit welcher Sturheit deutsche Qualitätsmedien Donald Trump immer wieder auf den Leim gehen. Während er einen ein Haufen ziemlich zwielichtiger Typen, die er in Führungspositionen installieren will, durch die Senatsanhörungen winken lässt, wird hierzulande mal wieder vorwiegend über seine  Clownerien berichtet: Grönland, Panama-Kanal, etc. Dass es sich dabei um sorgfältig geplante Ablenkungsmanöver, die mit dem entsprechenden Showmanship präsentiert werden, handeln könnte, kommt offenbar niemand in den Sinn.

Einigen Menschen scheint der Unterschied zwischen Roman, Gebrauchsanweisung und Befehl nicht mehr so ganz geläufig zu sein.

Kollege Rose hat eins meiner Lieblingsthemen1 wie immer lesenswert aufgegriffen, und dabei einen bewunderungswürdigen Text von Hellmuth Karasek zitiert. Karasek verehre ich, seitdem er in der „Televisor“-Rubrik des SPIEGEL2 mal ein experimentelles Fernsehspiel mit dem Titel „Ich heiße Frauennameandenichmichnichterinnere und du machst mich an“ mit dem lapidaren Satz „Ich heiße Fernseher und du machst mich aus“ abgekanzelt hat.

Je älter man wird, desto öfter erwähnt man insolvente Firmen. Ganz merkwürdig.

Das Wort der Woche: Heißwasser-Moppdesinfizierung.

 

Mutters Essen: Scharfe Nudeln

Dieses – für die damalige Zeit unglaublich exotische – Gericht, kam in den 60ern alle paar Wochen auf den Tisch, und zwar grundsätzlich an zwei Tagen hintereinander. Weil’s, wie der Reisauflauf, in der Pfanne aufgebraten noch mal so gut schmeckte. Während der Reisauflauf mein Lieblingsessen war, waren die „Scharfen Nudeln“, wie sie bei uns genannt worden, die Leibspeise meiner lieben Schwester Claudia. Das Rezept stand irgendwann in den 50er Jahren mal in der legendären Kasseler Post.

Wie alle Rezepte aus der damaligen Zeit ist es simpel. Ich hab’s mal aus dem Gedächtnis nachgebaut: Für 4 bis 6 Portionen braucht’s:

1 kleinen Kopf Wirsing, entstrunkt und ohne die dicken Blattrrippen in Streifen geschnitten
500 g Lammfleisch, gewürfelt (Ich hab Keule genommen)3
250 g Champignons, gescheibelt
150 g Walnüsse, gehackt
500g Bandnudeln
10 Zehen Knoblauch, gehackt
1 Zwiebel
Curry, Brühe, Butter, Salz, Pfeffer

Das Lammfleisch in etwas Butter kurz anbraten, alle anderen Zutaten dazugeben und anschwitzen, mit soviel Brühe ablöschen, dass alles knapp bedeckt ist. Zwanzig bis dreißig Minuten schmoren lassen, bis das Fleisch gar und die Flüssigkeit verkocht ist4. Die Bandnudeln separat kochen und mit der Chose vermischen.

Tja, sonderlich scharf kommt das einem heutzutage nicht mehr so, aber damals genügte ja schon ein Teelöffelchen Curry, um einen deutschen Gaumen in den Grenzbereich zu bringen5. Ich werde beim nächsten Versuch auf alle Fälle noch ein paar Chilis in Spiel bringen. Die Nüsse und die große Knoblauchmenge machen den Charme des Gerichts aus. Ansonsten ist, wie immer bei Curry, die Weinfrage nicht ganz einfach zu lösen. Ich hab einen Chardonnay von Schaller dazu getrunken und mir auf die Schulter geklopft: Gut ausgesucht, Chris!

Splitterbrötchen (MXIV)

Wie werden eigentlich Flohsamen gewonnen? Und warum haben sie Schalen?

Als ich davon hörte, dass Frau Weidel in einer Art Gespräch mit Elon Musk Adolf Hitler als Kommunist bezeichnet hat, war ich befremdet. Muss sie sich nicht sorgen, mit solchen Äußerungen ausgerechnet ihre Kernklientel, also die in der Wolle gefärbten Nazis, zu verprellen?

Thomas Schmid hat über den zukünftigen Umgang mit Rechtspopulisten nachgedacht und ist, wie immer, zu einem pragmatischen Schluss gekommen. Gefühlsmäßig möchte ich diese Richtung ablehnen, aber ich fürchte, dass er recht hat.

Otto Schenk ist gestorben. Bestimmt gibt es jemanden, über den ich irgendwann mal heftiger lachen musste als über ihn, aber der fällt mir gerade nicht ein.

Selbstgerechtigkeit hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern nur mit einem selbst.

Den Überbrüller der Woche hat mir der Threads-Algorithmus in die Timeline gespült:
„The doctor told me ‘You have cancer but we can treat it’. I asked: ‘What’s the cure?’ The doctor replied: ‘The Cure is a British rock band fronted by Robert Smith, but let’s try to stay focussed.’“

Bei der Lektüre des vierten Bandes der „Donnerstagsmordclub“-Reihe, wurde ich nicht nur, wie in den drei Bänden davor, verlässlich gut unterhalten, ich begann auch, Richard Osman als Handwerker zu schätzen6. Wie er die Volte vom gewohnten Senioren-Krimi-Klamauk ins Todernste und wieder zurück hinbekommen hat, ist aller Ehren wert. Das schafft nur jemand, der wirklich schreiben kann.

Tiefe Teller sind still.

Unfotografiert gebliebene kulinarische Wochenhöhepunkte waren die erste Fischsuppe des Jahres bei Daniele und exzellente fränkische Bratwürste vom exzellenten Fleischer bei Ullrich nach exzellentem Rezept von Chili und Ciabatta.

Auch Peter Yarrow ist diese Woche gestorben. Von Peter, Paul and Mary7  ist nun nur noch Noel „Paul“ Stookey übrig. Yarrow hat bei „Stewball“ die Leadstimme gesungen. Warum ist dieser Song seit bald 60 Jahren eins meiner Lieblingslieder? Könnte es an der vierten Zeile der ersten Strophe liegen?

Auch nach Umschulung und Branchenwechsel: Friseur bleibt Friseur.

Vielen Menschen, die sich freudig einer Jagdgesellschaft anschließen, ist nicht klar, wie schnell man selber zum nächsten Jagdopfer werden kann. Von der Meute zur Beute ist’s auch orthografisch nur ein kleiner Schritt.

Wenn Sie anderthalb Stunden Zeit und eine VPN-Software haben, machen Sie’s wie ich und verabschieden Sie sich von Otto Schenk, in dem Sie sich in der ORF-Mediathek das Komödiantengold ansehen, das er zusammen mit Michael Niavarani in „Zu blöd, um alt zu sein“ geschürft hat.8

 

Splitterbrötchen (MXIII)

Wenn Sie so clever sind wie ich, haben Sie auch nur 40 Jahre gebraucht, um hinter den Trick zu kommen, mit dem Supermarkt-Angestellte diese dünnen Plastiktüten in der Gemüseabteilung in Sekundenbruchteilen auseinanderfalten: nur einen Finger anlecken, nicht beide!

Ich bin überzeugter Wechselwähler, ich hab mein Kreuzchen in den letzten 50 Jahren schon bei jeder demokratischen Partei (außer der CSU) gemacht. Im Februar würde ich mit Freude eine konservative Partei wählen. Die beste Zeit, um konservativ zu wählen ist, wenn Schlangenölverkäufer, die sich als „Disruptoren“ ausgeben, unterwegs sind und Punkte sammeln. Aber diese CDU ist wegen ihres unsäglichen Personals (Spahn, Linnemann, Amthor, Merz) für mich derzeit vollkommen unwählbar, ich frage mich, wie überzeugte Konservative mit diesem Gangster-Ensemble klarkommen. Für mich läuft alles auf eine Last-Minute-Entscheidung für das kleinste Übel in der Wahlkabine hinaus, ich hasse das.

Die Bedienungsanleitung der neu angeschafften Mikrowelle liest sich wie das Drehbuch zu einem Katastrophenfilm, vor allen möglichen Unwahrscheinlichkeiten wird gewarnt. Wer sich dieser Höllenmaschine auch nur nähert, scheint dem Tod geweiht zu sein. Die Bedienungsanleitung für den neuen Toaster ist ähnlich. Sie beginnt mit den Worten „Brot kann auch brennen!“

Beinahe 5 vor 12, um genau zu sein um 19:20 am 30.12., stellte Giovanni im „Brigantino“ das Pasta-Gericht des Jahres 2024 vor mich hin: Spaghetti, Calamaretti, Knoblauch, Kapern, bisschen Chili … jede Gabel ein Genuss.

Die Plattform, die Elon Musk in der traditionell auflagenschwachen WELT geboten wurde, war ursprünglich ziemlich klein. Erst als dann wirklich alle Nicht-Springer-Medien auf den Empörungszug aufgesprungen sind, wusste jeder von Musks verlogenem Quatsch. Nur, falls sich noch jemand fragt, warum die WELT das Geschreibsel veröffentlicht hat.

Warum sagt man „Verkäufer bei einer Backwaren-Kette“ und nicht „Ditsch-J“?

Die erste gelungene Mahlzeit des Jahres blieb unfotografiert: In Streifen geschnittenes, medium rare gebratenes Entrecote auf einem Bett von mit Vinaigrette angemachtem Feldsalat mit Gurke und gebratenen Champignons, dazu ein paar Bratkartoffeln. Die Zubereitung erforderte nur ein minimales küchentechnisches Knowhow, der Grundstein für die beträchtliche Delikatesse des Ganzen wurde mit der Sorgfalt beim Beschaffen der Zutaten gelegt. Gute Küche beginnt beim Einkauf.

Beim Zeitgeist ist grundsätzlich Vorsicht geboten. Der war schon immer ein wetterwendischer Gesell.

Beim kulinarischen Wochenhöhepunkt war dann aber doch die Kamera im Einsatz:

Der stand beim Zweitbesuch des georgischen Restaurants „Stumari“ vor mir, zu dem die liebe NIchte eingeladen hatte: Kababi, ein kraftvoll gewürzter Hackfleischspieß mit Zwiebeln, Berberitzen, Knoblauch und einer leicht scharfen Tomatensauce namens Satsebeli, dazu Bratkartoffeln und Salat. Wieder begeisterte die Würzung: kräftig, eindeutig, trotzdem raffiniert und überraschend. Der nächste Stumari-Besuch ist bereits in Planung.

 

 

 

Splitterbrötchen (MXII)

Warum lassen sich Taucher immer nach hinten aus dem Boot fallen? Wenn sie sich nach vorn fallen ließen, wären sie ja immer noch im Boot.

Der erste Bundespräsident, an dessen Wirken ich mich erinnern kann, war Heinrich Lübke. Ich habe also schon einige Amtsinhaber erlebt, aber eine derart bräsig am Volk vorbeiredende Schlaftablette wie der aktuelle Präsi war bisher nicht dabei, 

Springer-Oberpropeller Ulf Poschardt hat Weihnachtsmärkte als „Symbol christlicher Identität“ bezeichnet. Die Bildungsbürger schütteln bitte nicht voreilig den Kopf, möglicherweise ist er da einer großen Sache auf der Spur. Lässt sich der Mitgliederschwund der Kirchen vielleicht tatsächlich aufhalten, wenn man zum Abendmahl statt billigem Messwein und trockenen Oblaten Glühwein und Champi-Pfanne reicht?

Meinungsfreiheit bedeutet aushalten, nicht goutieren, besonders wenn’s schwerfällt. 

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war die Einladung der besten, geduldigsten Gemahlin von allen ins georgische Restaurant „Stumari“ in Schöneberg. Wir begannen mit einer Vorspeisenplatte …

… auf der sich verschiedene Pasten fanden: Spinat, Rote Bete, Aubergine, gekochte Sarsaparilla, gedünsteter Lauch, alles mit Walnüssen, Koriandersamen und diversen  Gewürzen sehr differenziert abgeschmeckt, teilweise ungewöhnlich, aber höchst delikat. Zum Hauptgang hatte ich mir Khinkali bestellt, hausgemachte Teigtaschen mit aromatischer Rind/Lammfleisch-Füllung … 

… die Gemahlin hatte sich für Chakapuli entschieden, in Weißwein geschmortes Lamm mit grünen Mirabellen und Estragon, ein Highlight des Gastro-Jahres. Als wir dann satt und zufrieden auf der Straße standen, hab ich mich erstmal ein halbes Stündchen lang geohrfeigt, dass wir nicht schon längst mal ein georgisches Restaurant aufgesucht haben. Was für eine wunderbare, durchdacht gewürzte Küche! Ich war und bin begeistert.

Die Vodafonisierung9 der Wirtschaft nimmt beängstigende Ausmaße an.

Wie meinen?

Im Perlentaucher las ich von einer Anekdote, in der Wolfgang Schäuble versucht hat, Friedrich Merz Lampedusas Roman „Der Leopard“ zu schenken. Merz soll dankend mit der Begründung abgelehnt haben, er könne mit Romanen nichts anfangen. Wenn das der Wahrheit entspricht, hat Merz Probleme damit, sich in die Lage anderer Menschen zu versetzen, ihre Wünsche, Bedürfnisse, Sorgen und Nöte zu verstehen.10 Tja …

Kulinarische Entdeckung der Woche waren „Spaghetti con Mollica“, die ich in der  grundsätzlich empfehlenswerten „Trattoria del Corso“ bestellt hatte. Das ist meine Lieblingspasta Aljolojopeperontschino plus angeröstete Semmelbrösel. Das kann man so machen, wenn man – wie im „del Corso“ – nicht am erstklassigen Olivenöl11 spart. 

Vor ein paar Tagen ist Maïté gestorben, eine der beliebtesten Gastgeberinnen und TV-Köchinnen Frankreichs, übrigens im gesegneten Alter von 86 Jahren.12 Ich empfehle dringend, sich ein paar schöne Stunden vor dem youtube-Kanal von Mme. Ordonez zu machen. Man lernt einiges über die traditionelle französische Küche, staunt über eine gelegentlich recht risikobereite Messertechnik und freut sich über die geradezu rücksichtslose Opulenz ihrer Rezepte. Hier macht sie Crepinette mit Foie Gras und Entenbrust sowie Pute mit Wachteln. Der zum Schluss zum Einsatz kommende Flammenwerfer ist sensationell!

Allerdings sind Maïtés Videos nicht unbedingt etwas für zartbesaitete Naturen. Ihr bodenständiger Umgang mit gelegentlich nicht ganz küchenfertigen Zutaten könnte sensiblere Zeitgenossen ein wenig verstören.

Die Humphrey-Bogart-Doku „Life comes in Flashes“ war nicht direkt eine Enttäuschung, bot aber für den Bogart-Kenner nur wenig neues.

You can get the boy out of Eschwege, but you can’t get Eschwege out of the boy.

 

 

 

 

 

Splitterbrötchen (MXI)

Endlich habe ich den passenden Titel für meine Autobiographie gefunden: „Von Geburt an kompetent!“

Am Freitagabend konnten wir wieder Zeuge einer der größten schauspielerischen Leistungen des Weltfilms werden. Dass es Alec Guinness in „Der kleine Lord“ gelungen ist, seine Rolle in stoischer Gelassenheit durchzuziehen, ohne ein einziges Mal wegen der überpenetranten Niedlichkeit von Ricky Schroder in seinen Zylinder kotzen zu müssen, ist bewunderungswürdig.

Das haben CDU, die Grünen, die SPD und die öffentlich-rechtlichen Sender mal wieder perfekt hinbekommen. Das sinnfreie Hickhack13. um die TV-Duelle führt uns allen recht anschaulich vor Augen, dass den Herrschaften das eigene Standing in der Öffentlichkeit wichtiger ist als die Diskussion der Probleme, die die Bürger betreffen. Es ist abzusehen, wer davon (wieder) am meisten profitieren wird.

Wonnen des Alterns: Kleingedruckte Gebrauchsanweisungen fotografieren, damit man sie vergrößern kann.

Nachdem mir meine Krankenkasse – natürlich per Brief – PIN und PUK für die elektronische Patientenakte zugeschickt hat, habe ich die zugehörige App heruntergeladen und installiert. Das ging einigermaßen reibungslos, aber wer nicht einige Erfahrung mit Digitalgedöns hat und nicht bereit ist, ein bisschen zu raten14, wird deutlich mehr Mühe haben als ich.

Diese Woche habe ich kulinarisches Neuland betreten. Die beste, geduldigste Gemahlin von allen hatte mir vom Spandauer Weihnachtsmarkt Churchkela mitgebracht, eine georgische Spezialität aus Nüssen, die mit stark eingekochtem Traubensaft überzogen werden. Das schmeckte überraschend delikat, vor allem, weil es nicht so süß war wie befürchtet. Im Gegenteil, es war so wenig süß, dass man das Zeug auch prima knabbern kann, wenn man einen trockenen Wein trinkt. Allerdings ist hinterher Zahnhygiene angesagt: Dieses Traubenzeugs zeigt große Anhänglichkeit an die Zähne.

Wohin die Helikopterei letztlich führt: zur Endstation Knalldepp, wo das Durchlesen eines Buchs als „Herausforderung“ gilt.

Was habe ich Gianni Infantino nur getan? Warum hat er es zum obersten Ziel der FIFA erklärt, mir die Freude an Weltmeisterschaftsturnieren zu versauen?

Die Weisheit der Woche flog Micky Beisenherz zu: „Pietismus ist ein verdammt scharfkantiger Bumerang.“

Wenn Sie glauben, derartigen Tests hätten etwas mit dem Intelligenzquotienten zu tun, ist Ihrer unter 80.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein „trip down memory lane“, eins der ersten Gerichte, die ich damals in meinem Schwabinger Küchenwandschrank auf dem Zwei-Flammer zusammengeklöppelt habe, Spaghetti nach Admirals-Art, also Aljooljopeperontschino mit Dosensardinen statt Anchovis. Immer noch mordslecker.

Wichtigster Merksatz der darstellenden Kunst: Die drei großen „K“ des Theaters sind Kulisse, Kostüm und Maske und Farbe.

Zwitschernahles ist ein perfektes Psychogramm von Friedrich Merz in acht Worten gelungen:

Man lacht zunächst, dann dämmert einem, dass der Merz wahrscheinlich wirklich so ist. Übrigens, wenn Sie von den drei Ampel-Parteien die Schnauze so gestrichen voll haben, dass Sie überlegen, diesmal CDU zu wählen: Das Kreuzchen bei der Union bedeutet dann mit Sicherheit auch die Rückkehr von Jens Spahn. Will man das wirklich?

Mit Genugtuung habe ich wahrgenommen, dass die wichtigen Feuilletonredaktionen dieses Landes die Splitterbrötchen lesen und meinen Unmut darüber registriert haben, dass sie Siebecks Memoirenband „Ohne Reue und Rezept“ bisher ignorierten. Diese Woche haben SZ, DLF und ZEIT ihren peinlichen Fehler korrigiert.

Neil Dudgeon altert rapide und nähert sich der Pensionsgrenze. Werden wir bald vor dem Fernseher einschlafen, während ein dritter Inspector Barnaby ermittelt?

Tom Hillenbrand hat sich erneut als verlässlicher Lieferant15 spannender Unterhaltung bestätigt: „Lieferdienst“ ist spannende SF-Action, die vor dem Hintergrund konkurrierender Hightech-Lieferdienste (Nur wer zuerst beim Kunden ist, macht das Geschäft, ein Sonderlob für die konsequente, clevere World Creation) spielt. Die 180 Seiten hab ich am Stück gefressen.

Die 70er Jahre waren eine wirklich aufregende Zeit. Man lief ja ständig Gefahr, Steely Dan und Steeleye Span zu verwechseln. Was eine gesellschaftliche Katastrophe gewesen wäre.

Jeder Mensch braucht Songs, die nicht altern, aber mit denen man alt wird.

Es ist doch nicht zu fassen: geschlagene drei Wochen Winterpause? Nur, damit die satten Millionarios in der Karibik einen draufmachen können! Niemand denkt an uns Fans!

Der Akkord

Mein Leben teilt sich in die Zeit vor dem Akkord und nach dem Akkord. Die Rede ist von dem einleitenden Gitarrenakkord von „A hard day’s night“, gespielt von George Harrison auf einer 12seitigen Rickenbacker16 Es war der erste Beatles-Song den ich hörte, und er hat mein Leben verändert.

Ich war damals acht Jahre alt und hasste es, zum Friseur zu gehen. Denn der Friseur, zu dem man mich alle vier bis sechs Wochen schickte, im „Salon S.“ in der Friedrich-Wilhelm-Straße, ließ mir immer die abgeschnittenen Haare in den Nacken rieseln, wo sie ein fieses Juckwerk anrichteten. Ich versuchte mich, wann immer es ging, vor dem Friseurbesuch zu drücken, vergeblich. Mein Vater hielt auf Ordnung, der Junge musste mit anständigem Haarschnitt zur Schule gehen.

Dann las ich in unserer Lokalzeitung, der Werra-Rundschau, einen Artikel über „Pilzköpfe“. Damit waren Mitglieder einer englischen Musikgruppe namens „The Beatles“ gemeint, die im Verweigern von Friseurbesuchen offensichtlich wesentlich erfolgreicher waren als ich. Diese Musiker begannen, mich zu interessieren. Leider konnte ich mir die Musik, die diese Gruppe machte („Beat-Musik“, lt. Werra-Rundschau) nicht anhören. Über die Radioapparate unseres Haushalts waren nur der Hessische Rundfunk und die infamen Ost-Sender zu empfangen, der riesige Funkschatten, den der Hohe Meißner warf, verhinderte den Empfang von Sendern wie Radio Luxemburg, die dieser neuen Musik aufgeschlossener gegenüberstanden als der HR, der von morgens bis zu meiner (frühen) Bettzeit nur schwer erträgliche Schlagermusik absonderte.

Dann entdeckte ich im Schaufenster von „Musikhaus Schneider“17 diese Platte.

Die waren tatsächlich viel länger nicht beim Friseur gewesen als ich. Die Platte musste ich haben, klar. Aber damals kostete eine Langspielplatte bei Frau Schneider (und überall) satte 22 18 DM19. Doch dann dachte ich ein wenig nach. Ich war – als Sohn in einem gut situierten bürgerlichen Haushalt – doch nicht ganz mittellos. Ich bekam immer wieder ein bisschen was zugesteckt, Geld für ein Eis oder eine Tüte Waffelbruch… Wenn ich anfing, das zu sparen, anstatt es sofort wieder auszugeben? Wenn ich 2 Mark im Monat zurücklegte, hätte ich nach elf Monaten die Platte. Eine lange Zeit, aber das Projekt bekam den Anschein von Machbarkeit. Wenn ich vielleicht noch etwas dazu verdienen könnte?

Am nächsten Morgen trat ich mit meiner konsternierten Mutter in durchaus komplexe Verhandlungen, die Tarife für meine freiwillige Mitwirkung in Haushaltsangelegenheiten über das übliche Maß hinaus festlegten20. Meine Mutter erwies sich als Unternehmerstochter als die erwartet harte Verhandlungspartnerin, ich zog als unerfahrener Verhandler erwartbar den kürzeren, aber – um das ganze abzukürzen – wenn ich mich richtig reinhängte, könnte ich „A Hard Day’s night“ in sechs Monaten kaufen.

Ich schaffte es in fünf. Frau Schneider staunte nicht schlecht, als ich eine imposante Menge Kleingeld auf ihrem Tresen deponierte, und, nachdem sie mein Erspartes zweimal nachgezählt hatte, händigte sie mir das erste Beatles-Album meines Lebens aus. Ich trug meinen Schatz nach Hause, schaltete die „Musik-Truhe“21 im Wohnzimmer ein, legte die Platte auf und senkte den Tonabnehmer ab. Dann kam der Akkord.

Er traf mich vollkommen unvorbereitet und stellte meine Welt in einer Hundertstelsekunde auf den Kopf. Bis ich diesen Akkord gehört hatte, war ich ein kleiner Junge gewesen, der darauf gedrillt wurde, still zu sein, jederzeit zu gehorchen und sich unterzuordnen. Georges Rickenbacker lehrte mich im Bruchteil einer Sekunde, dass es vollkommen okay war, laut zu sein. Unangepasst. Jung. Frech. Dass es mein Leben war, und dass das nicht unbedingt das sein musste, was mein Vater für mich vorgesehen hatte. Und dass ich in der grandiosesten aller Zeiten lebte, in der eine fantastische Musik wie diese gespielt wurde. Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde. Mein Vater war ein ziemlich harter Knochen, mit dem ich in Zukunft einige ziemlich harte Kämpfe auszufechten hatte. Aber ich war siegesgewiss: Ich hatte ja die Beatles an meiner Seite22.

Eine Woche später nahm ich im „Salon S.“ im Friseurstuhl Platz und sagte: „Einmal Kämmen, bitte!“

Dessert ohne Namen

Dieses Dessert hat keinen Namen, weil ich es dahin improvisiert hab und wirklich nicht weiß, wie ich es nennen soll. Ich hatte ein Glas Lemon Curd eines französischen Herstellers gekauft, das für meinen Geschmack und den angestrebten Verwendungszweck23 deutlich zu süß war. Beim Googlen entdeckte ich die Möglichkeit, dem Lemon Curd durch Verpampen mit Mascarpone die süße Spitze zu nehmen, das brachte mich auf diese zitrische Tiramisu-Variante.

Es braucht:
500g Mascarpone
3 bis 4 Esslöffel Lemon Curd
Orangensaft
Cointreau

Den Mascarpone mit Lemon Curd und Orangensaft cremig rühren. Löffelbiskuits mit Orangensaft und/oder Cointreau beträufeln. In eine Dessertschale eine Schicht Löffelbiskuits platzieren, die Hälfte der Mascarponecreme draufgeben, die Prozedur wiederholen, das Dessert im Kühlschrank durchziehen lassen.

Das ist buchstäblich in Minutenschnelle gemacht, Zitrone und Orange sorgen für eine Ahnung delikater Säure und die penetrante Süße des Lemon Curds war verschwunden. Wurde nach der ersten Kostprobe ins Repertoire aufgenommen.

Bleibt das Namensproblem. „Zitronen-Tiramisu“ klingt irgendwie blöd, „Zitronen-Orangen-Tiramisu“ steigert die Blödheit noch durch Umstandskrämerei. Hat irgendwer einen rettenden Einfall? Sonst bleibt’s namenlos.