Wie man für Kabarett schreibt

„Es gibt nur zwei Sorten von Kabarettnummern: die Umkehrung und den Rasierspiegel. Diese zwei Möglichkeiten haben Sie, wenn Sie zu einem Thema eine Nummer schreiben sollen. Wenn Sie die Umkehrung benutzen, dann drehen Sie das, was alle schrecklich finden sollen, einfach um, und finden es ganz toll. Oder, dann benutzen Sie den Rasierspiegel, Sie nehmen sich ein Detail des Themas raus und blasen es zur Übergröße auf, bis es grotesk wird. Ich sag Ihnen ein Beispiel. Sie sollen was über Neonazis schreiben. Dann schreiben Sie eine Nummer mit dem Vater eines solchen Idioten, der alles ganz toll findet, was sein Idiot von Sohn so treibt. Das ist die Umkehrung. Oder Sie schreiben, wie der Vater total stolz darauf ist, dass sein Sohn gelernt hat, sein Werkzeug tiptop sauber und in Ordnung zu halten, Und als Schlusspointe zeigen Sie, dass es sich um Waffen handelt, Totschläger, Schlagringe undsoweiter, Das wäre dann der Rasierspiegel.“

Diesen Kurzvortrag hielt mir der damals nach neuen Textern suchende Rolf Ulrich anfangs der Neunziger Jahre in seinem Büro im Europa-Center, in das mich der  Erfolg meines ersten Musicals gespült hatte. Das ist tatsächlich klassisches Kabarett „in a nutshell“ und war mir in den darauffolgenden vielen Jahren, in denen ich Nummern und Programme für Kabarettisten und Kabarett-Häuser geschrieben hab, ein extrem wertvoller Leitfaden. Natürlich hat sich der Kosmos des Kabaretts mittlerweile stark erweitert. Man kann, wenn man denn will oder soll, natürlich auch ganz andere Nummern schreiben. Aber das ist die Basis, von der alles kommt, und auf die man als Texter immer zurückkehren kann, besonders, wenn man mal nicht weiter weiß. Nochmals danke dafür, Herr Ulrich.

So, Pflicht erfüllt, Handwerk ebenfalls weitergereicht.

Neuss zum Hundertsten

Heute wäre Wolfgang Neuss 100 Jahre alt geworden. Es ist schlichtweg erbärmlich, dass die Mehrheit der Deutschen mittlerweile denkt, dass einer der größten Kabarettisten unserer Zeit, der von 1950 bis 1970 Ost und West den Spiegel vorgehalten hat wie kein anderer, ein in mehrfacher Hinsicht zahnloser, leicht verwirrter Hippie war, dessen Lebensleistung darin bestand, einen Bundespräsidenten „Ritchie“ genannt zu haben. Leute, der Hippie war nur ein müder, harmloser Abklatsch vom richtigen Neuss. Hier sind ein paar Minuten vom Original:

 

 

In eigener Sache: Comedy-Projekt

Für ein Projekt im Bereich politische Comedy (vormals Kabarett) suche ich eine/n Parodistin/en und einen Puppenbauer/spieler (bäuerin/spielerin) mit Wohnort Berlin. Keine Vorfinanzierung, Geld also nur im Erfolgsfall. Bitte anrufen oder mailen.

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