Gehirnschwurbel nach Zeitungslektüre

Manchmal bemerke ich so ein ganz merkwürdiges Sausen im Kopf, nachdem ich die Tageszeitungen gelesen, habe, als habe sich die ganze Welt inklusive meines Gehirns verschwurbelt nur mit dem einen Ziel, nämlich ein Gefühl äußerster Ratlosigkeit bei mir zu bewirken. Heute ist so ein Tag. Da lese ich überall von Krawallen in Kreuzberg, und gleich danach, dass es der Polizei gelungen ist, alle zwanzig Krawallurheber zu verhaften. Zwanzig? Ich hab jetzt gerade die Zahlen nicht parat, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass an einem durchschnittlichen Vatertag oder einem durchschnittlichen Silvester in Berlin nicht viel weniger oder eher mehr als zwanzig Leute verhaftet werden, weil sie ausfällig geworden sind. Da frage ich mich, warum eigentlich niemand von den „traditionellen Berliner Silvesterkrawallen“ schreibt? Und im Kulturteil vom Tagesspiegel steht ein Artikel über die Verleihung eines Theaterpreises in Höhe von dreißigtausend Öcken, den man Peter Zadek nicht verliehen hat, weil er nicht zur Preisverleihung kommen wollte konnte. Weil er nämlich einen Schauspieler umbesetzen muss, und die Premiere der Aufführung, für die er ihn umbesetzt, ist schon in sieben Wochen, und da läuft ihm die Zeit davon, und deshalb hat der Zadek jetzt einen Anwalt beauftragt, der ihm das Preisgeld gerichtlich erstreiten soll, weil in den Statuten nirgends steht, dass man den Schotter persönlich abholen muss, um preiswürdig zu sein. Und direkt daneben druckt der Tagesspiegel einen Artikel über das Erscheinen eines bislang unveröffentlichten Buchs von Gisela Elsner, die sich vor 15 Jahren umgebracht hat, weil sie die Existenzangst und das Fehlen jeglicher Akzeptanz im Kulturbetrieb nicht mehr ausgehalten hat, und ich frage mich, ist das Nebeneinandersetzen ausgerechnet dieser beiden Artikel nun Absicht, Zynismus oder Gedankenlosigkeit, und dann sehe ich die Anzeige von irgendeinem Geizbilligbrüllmarkt, der mir für nur 199 Öcken ein Autoradio verkaufen will, dessen Display 4096 Farben hat, und ich versuche verzweifelt einen Grund zu finden, warum ein Radio 4096 Farben braucht, um mir den Sender anzuzeigen, und alles wird immer schwurbeliger bis wieder diese Stimme zu hören ist, diese gleichzeitig verstörende und beruhigende Stimme in meinem Schädel, die aus dem Auge des Schwurbels heraus dröhnt: „Laß nach, Chris! Die Welt versteht dich nicht, und du verstehst die Welt nicht. So hat jeder seins.“
Ach ja. Bin schon gespannt, was morgen in der Zeitung steht.

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