Feingeist

In einem ansonsten ausgezeichneten Artikel über Diether Krebs auf SPIEGEL ONLINE lese ich:

Anders als bei Loriot regierte nicht der Feingeist.

Ich kapier es nicht. Herr von Bülow hat sich im Laufe seiner Karriere u.a. Nudeln an die Nase gehängt, hat Frau Hamann unsittliche Anträge gemacht, während er mit ihr über die Auslegware robbte und ist eine ungebührlich lange Zeit auf dem Wort „Kosakenzipfel“ herumgeritten, um nur diejenigen Klopper zu nennen, die mir zuerst einfielen. Ferner hat er sich mit schmierigem Rouladenfaden eingewickelt, hat beim Bilder-Rücken ein ganzes Wohnzimmer zerlegt und Frauen Bonbons in den Ausschnitt gespuckt, um nur diejenigen Nummern zu nennen, die mir als nächstes eingefallen sind. Schluss mit der Aufzählerei, Loriot hat nichts, aber auch gar nichts ausgelassen. Und trotzdem kliert nach wie vor jeder Journalist, der „Loriot“ schreibt, reflexhaft „Feingeist“ dazu. Ich kapier es nicht.
Macht aber nix. Schadet ja niemandem.
[tags] Loriot, Humor, Feingeist, Nachdenkverweigerung, Ungeheuer![/tags]

2 Gedanken zu „Feingeist

  1. Daß mich Diether Krebs‘ Schaffen nie so richtig mitgerissen hat, lag sicherlich an seiner etwas schmuddeligen Art. Ein unbedingtes MUSS war „Ein Herz und eine Seele“, da wollte ich zuhause vor dem Fernseher sitzen. Zu Zeiten Diether Krebs‘ waren vielleicht auch zu viele seiner Couleur unterwegs, die mit allerhand Accessoires, Perücken, Kleidung usw. für Unterhaltung sorgten. Dieter Hallervorden, Harald Juhnke, Edi Arendt. Peter Alexander, wenn er auch mehr den tolpatschigen, gewitzten, charmanten Clown darstellte. Gefesselt hat mich niemand.

    Er war mir zu laut, zu brachial. Er hat es sich dann wohl im Leben nicht leicht gemacht. Viel zu viel getrunken, allein in der Kneipe herumgesessen, sich vollaufen lassen. Sein unermüdliches Schaffen ist furios, und ich wundere mich, wie zäh der Mann gewesen sein muß, nach heillosen Nächten konzentriert seine Arbeit zu erledigen. Von seinen Sketchen ist bei mir nix hängen geblieben. Vor seiner Unerschrockenheit, selbst den fiesesten Zeitgenossen zu spielen, die krätzigsten Figuren zu zeigen und dann noch nen Nummer oben drauf zu setzen. Alle Achtung!

  2. Die Sketch-Sendungen haben mich – obwohl pro Sendung meist ein echter Kracher dabei war – eher kalt gelassen. Weil sich für mich das Schlusspointen-orientierte Format „Sketch“ seit Monty Python überholt hat. Echte Komik liegt m. E. jenseits des Sketchs.
    Aber Krebs war wirklich ein grandioser Komödiant. Mein persönliches Krebs-Highlight ist der Polizeiruf „Roter Kaviar“, in dem er einen durchgeknallten russischen Agenten spielt. Und zwar so russisch, dass echte Russen vor Neid erblassen müssen. Eine absolute Tour de Force, ein Balanceakt zwischen Menschendarstellung und Parodie. Außerdem ein grandioses Buch. Diese frühen Sauerland-Polizeirufe hatten einen wunderbar absurden Humor.

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