Dankbarkeits-Lieblinge 2022

Ja, die Dankbarkeit. Mein Lieblingsrestaurant. Mehr muss ich nicht mehr sagen, bzw. schreiben. Jedes Jahr, wenn wir Podersdorf verlassen, fangen wir an, uns aufs Wiederkommen im nächsten Jahr zu freuen, und für mich heißt das auch: „Dann gehen wir wieder in die Dankbarkeit!“ Dieses Jahr haben wir uns dieses exquisite, trotzdem bodenständige Vergnügen dreimal gegönnt. Beim ersten Besuch haben wir uns eine Vorspeise geteilt…

… eine Terrine von roter Bete mit Rehfilets. Dass das Teilen ein Fehler war, haben wir sofort eingesehen, wir hätten beide lieber die ganze Portion verdrückt. Deshalb gab’s beim zweiten Besuch für jeden eine eigene Vorspeise.

Bei mir war das ein kräftiges „Konblauchpannacotta mit Graubrot-Chip“.

Und beim dritten Besuch kehrte ich zu einer lieben, alten Bekannten zurück, der Fischsuppe mit Paprika. Bei den Hauptgängen lag, wie immer in diesem Lokal, die Raffinesse in der scheinbaren Einfachheit.

Beim ersten Besuch genoss ich eine in jeder Hinsicht perfekte, rosa gebratene Entenbrust auf aromatischer Gemüsesauce und gebratenen Kartoffeln

Beim zweiten Mal folgte ich der Tagesempfehlung, tatsächlich, weil mich die angekündigte Beilage neugierig gemacht hatte: gebratener Hecht mit gegrilltem(!) Eisbergsalat, und die Beilage hätte dem tadellos gebratenem Hecht beinahe die Schau gestohlen. Durch die hohe Grillhitze hatte der Eisberg ein überraschend deutliches, delikates Aroma bekommen, was ganz ausgezeichnet mit dem darüber und hineingekleckerten, knoblauchlastigen Pesto harmonierte.

Beim dritten Mal, unserem diesjährigen Abschiedsessen ließ ich mir eine Lammhüfte auf Gemüsesauce mit Polenta kommen. Wieder war küchentechnische Perfektion zu bewundern. Besser, zarter kann man eine Lammhüfte nicht hinbekommen, die Polentaschnitten waren perfekt gebraten und eigneten sich wunderbar zum Aufmoppen der herrlichen Sauce.

Die Desserts. Beim ersten Besuch des Jahres gibt es niemals ein Vertun, da wird der Käseklassiker des Lokals bestellt…

… Blauschimmelkäse mit einem Glas der hauseigenen Beerenauslese. Eine Traumkombination. Auch beim zweiten Besuch hatte ich keine Lust auf Süßes und bestellte den kleinen Käseteller…

… Gruyere, Brie, ein Rot- und ein Blauschimmel. Was mir Gelegenheit gab, die nächste Beerenauslese zu ordern. Beim dritten Mal wollte die beste, geduldigste Gemahlin von allen mich dazu bringen, schon wieder Käse zu bestellen, doch dazu war ich nach der Lammhüfte schon zu satt. Zitronensorbet in Frizzante…

… war genau richtig: fein, leicht, erfrischend und nicht zu süß.

Die Vorfreude auf unsere Dankbarkeits-Menüs 2023 hat begonnen!

Yuppi Du ist wieder da!

https://youtu.be/1_s81D0SWig

Soeben hat mich ein Mitstreiter der „Verdammt nochmal, Celentano, bring endlich Yuppi Du auf DVD raus!“-Bewegung darauf aufmerksam gemacht, dass ein Wunder geschehen ist: Yuppi Du erscheint am 28. August hierzulande auf DVD, inkl. deutscher Synchro. Das bedeutet, dass einer der meist kommentierten und am häufigsten gegoogleten Beiträge dieser Website obsolet wird, aber das ist mir sowas von mumpe: Yuppi Du non e‘ morta, e‘ ritornata dal canal!

Nachtrag 2. 9. 2015:
Die DVD ist mittlerweile bei mir angekommen. Ich kann Sie leider nur Menschen empfehlen, die „Yuppi Du“ so dringend wiedersehen wollen, dass Sie dafür eklatante technische Mängel in Kauf nehmen wollen. Auf der DVD befinden sich keine Extras, nur der Film in deutscher Synchronfassung. Die auf der amazon-Seite beworbene italienische Sprachversion ist NICHT auf der DVD. Die Bildqualität ist schlichtweg unterirdisch. Offenbar wurde hier eine total heruntergerockte 35mm-Verleih-Kopie abgetastet und auf DVD gebrannt. Der Film ist durchgehend stark „verregnet“ (schwarze Streifen), einige Szenen sind nicht komplett. Wieso man diesen Weg gegangen ist und keine DVD auf Basis der 2008 für die Filmfestspiele Venedig aufwendig restaurierten Kopie erstellt hat, ist mir ein komplettes Rätsel.

Pigor, Eichhorn und der Ulf

Eigentlich wollte ich mich jetzt wieder lang und breit über die Bar jeder Vernunft auslassen. Der Laden ist einfach unmöglich, man sitzt schlecht, man sieht schlecht, die Gastronomie des Etablissements ist ein Kapitel für sich und außerdem… Ach, Quatsch, Schwamm drüber!
Ticket
Wenn Pigor, Eichhorn und der Ulf in Berlin auftreten, dann treten sie nun mal im Spiegelzelt an der Schaperstr. auf, und „Wegbleiben“ ist bei Pigor, Eichhorn und dem Ulf keine Option. Gestern war Premiere von „Volumen 6“, und wenn nicht noch aus irgendeiner Versenkung die Überraschung des Jahres auftaucht, dann ist die neue Show der drei der Höhepunkt der Saison. „Rache für die gebrochenen Versprechen von IT“ und „Maulende Rentner“ sind Instant-Klassiker. Und die sensationellen „Kevins“ (hier ist ’ne Hörprobe) gibt’s als Zugabe. Die geduldigste Gemahlin von allen und ich haben uns schlapp gelacht. Was will man denn mehr.
Außer vielleicht einen anderen Auftrittsort.
[tags]Pigor, Eichhorn, Ulf, Hochkomik, Salon-Hiphop[/tags]

Bei Herrn Lentsch

Die Dankbarkeit ist (nicht nur) mein Lieblings-Gasthaus. Vielleicht liegt’s an der langen Vorfreude, die einem Besuch der Dankbarkeit vorausgeht. Denn die Dankbarkeit liegt in Podersdorf am Neusiedlersee, wo die geduldigste Gemahlin von allen und ich einmal im Jahr Urlaub machen. Und da kann die Vorfreude auf den nächsten Dankbarkeitsbesuch schon einmal 50 Wochen dauern. Aber irgendwann stehen wir dann doch wieder vor der Eingangstür.
Dankbarkeit Eingang
Da bleiben wir jedoch nicht lange stehen, sondern grüßen freundlich in den Schankraum mit dem Tresen hinein, wo die Podersdorfer sitzen, lassen bei schönem Wetter die Stube rechts liegen und eilen durch den langen Gang in den wunderbaren, einmaligen, schattigen Gastgarten. Da kommt auch schon der Wirt, Herr Lentsch, mit seinen charakteristisch kurzen, eiligen Schritten auf uns zu, begrüßt uns, als wären wir eine Woche und nicht ein Jahr lang weg gewesen, bringt uns an unseren Tisch und teilt die Karten aus. Dann sitzen wir erst einmal einen Moment da, atmen durch und schauen uns fröhlich in die Augen: „Was geht’s uns gut!“
Wieso geht’s uns in der Dankbarkeit so gut? Wieso geht’s uns in der Dankbarkeit besser als anderswo? Liegts an der verfeinerten burgenländischen Küche mit der jiddischen Hühnerleberpastete, der Paprika-Fischsuppe, dem „Gekochten vom grauen Steppenrind“, den Spezialitäten vom Mangalitzaschwein und den sündhaften Somloer Nockerln? Ist es die umfangreiche Weinkarte, auf der der Fan pannonischer Weinkultur nichts vermissen kann? Ist es der von Jahr zu Jahr immer besser werdende Hauswein, den Herr Lentsch für selbstmörderische 12 bis 15 Euro pro Flasche im Restaurant anbietet?
Natürlich tragen all diese Dinge wesentlich zu unserem Wohlbefinden bei, aber der eigentliche Faktor, warum es uns beim Lentsch so gut geht, ist der Lentsch selber. Es ist einfach die reine Freude, bei diesem Urbild eines Wirts, diesem besessenen Gastronom aus Leidenschaft Gast sein zu dürfen. Mitzuerleben, wie dieser Mann auflebt, wenn es seinen Gästen schmeckt und sie sich wohl fühlen, ist schon die halbe Miete in der Dankbarkeit.
Dankbarkeit Garten
Die wahre Qualität eines Wirts erweist sich aber, wenn ein Gast sich daneben benimmt. Wie wird er reagieren, wie wird er diese heikle Situation meistern? In diesem Sommer war ausgerechnet ich es, der Herrn Lentsch in dieser Hinsicht auf die Probe stellte. Ich hatte mein Handy, das eh schon tagelang nicht geklingelt hatte, nicht ausgeschaltet. Wer sollte mich denn schon im Urlaub am Montag abend anrufen? Und dann kam es, wie es kommen musste: Gerade als Herr Lentsch uns den Wein an den Tisch brachte, klingelte mein Handy. Und mein Handy klingelt nicht einfach, es spielt die entscheidenden Minuten des WM-Finales 1954 ab. „Aus dem Hintergrund müßte Rahn schießen… Rahn schießt… Tor! Tor! Tor!“ donnerte Herbert Zimmermann durch den eben noch beschaulichen Gastgarten, während ich mit fliegenden Fingern versuchte, den Störenfried auszuschalten. Herr Lentsch zuckte mit keiner Wimper, entkorkte den Wein und sagte, während er mir den Probierschluck einschenkte, verschwörerisch zwinkernd: „I wer‘ narrisch!
Da ging’s uns wieder gut!
[tags]Podersdorf, Restaurant, Urlaub, Dankbarkeit, Lentsch[/tags]

Gänsehaut auf der Seele

Manchmal hört man einem Musiker zum ersten Mal zu, und er trifft einen auf die Zwölf. „Um Himmelswillen, der singt ja über mich!“ Oder – etwas klarer und weniger vermessen – „Der singt von dem, was ich beinahe gedacht und gefühlt hätte.“ Solche Musiker schreiben Songs, die einen durchs Leben begleiten. Ein großer Teil meiner Lebensbegleiter wurden von dem unvergleichlichen David Crosby geschrieben und gesungen. Triad. Guinnevere. Wooden Ships. Carry me. Delta. Und natürlich das atemberaubende „Almost cut my Hair„. Die Hymne. Macht Gänsehaut auf der Seele.

Almost cut my hair
It happened just the other day
It’s gettin kinda long
I coulda said it wasn’t in my way
But I didn’t and I wonder why
I feel like letting my freak flag fly
Cause I feel like I owe it to someone

Must be because I had the flu‘ for Christmas
And I’m not feeling up to par
It increases my paranoia
Like looking at my mirror and seeing a police car
But I’m not giving in an inch to fear
Cause I missed myself this year
I feel like I owe it to someone

When I finally get myself together
I’m going to get down in that sunny southern weather
And I find a place inside to laugh
Separate the wheat from the chaff
I feel like I owe it to someone

[tags]Crosby, Hippies, Hymne[/tags]

Rory! Rory!

Das waren einmalige Abende, wenn er Gitarre spielte. Das lag nicht nur an der einzigartigen Musikalität und Virtuosität, mit der er sich in den Bluesrock reinhängte, das lag zuallerersteinmal an seiner unglaublich warmherzigen Persönlichkeit, die bis in die letzten Reihe der größten Halle, des riesigsten Stadions strahlte.
Ich erinnere mich an ein ganz entsetzliches Open-Air-Festival in Göppingen, 1977 oder 78 war das, mehrtägiger Dauerregen hatte den Veranstaltungsort in eine Schlammwüste veranstaltet, die Stimmung im Publikum war unglaublich mies, und als Pseudo-Macho Ted Nugent (der Mann, der noch schneller und hirnloser Gitarre spielen konnte als Alvin Lee) nach gerade mal zwei hoffnungslos übersteuerten Titeln bei den ersten Donnerschlägen eines noch meilenweit entfernten Gewitters panikartig die Bühne verließ, lag Krawall in der Luft. Zwei Tage Dauerregen, Schlamm, lauwarmes Dinkelacker-Bier… wann randalieren, wenn nicht jetzt?
Und dann kam er auf die Bühne, die uralte, verranzte Stratocaster umgehängt, die Arme weit ausgebreitet und dieses warme, strahlende Lächeln im Gesicht… „Rory! Rory!“ brüllten wir alle, und ich schwöre bei Gott, nach den ersten paar Takten von „Too much Alcohol“ hörte es auf zu regnen und die Sonne brach durch die bleierne Wolkendecke.
Zu einem Rory-Gallagher-Konzert bist du nicht gegangen, um einem Superstar zuzusehen und hinterher zu sagen, ob er heute in Form war oder nicht. Wenn Rory in die Stadt kam, dann kam ein guter Kumpel zu Besuch, der fantastisch Gitarre spielen konnte. Und einen guten kumpel konnte man doch nicht im Stich lassen, oder?
Und wie er spielte. Wenn er die Ärmel des karierten Flanellhemds aufkrempelte, und die Gitarre nicht nur mit seinem ganzen Körper, sondern mit seiner Seele zum Singen brachte… Das waren Sternstunden, wenn er improvisierte. Laundromat. Sinner Boy. Bullfrog Blues. Ach.
Und ist es nicht paradox, dass wir Stunden um Stunden einem der größten Gitarrenvirtuosen aller Zeiten zuhörten und nur auf den Moment warteten, wo er mit diesem Lächeln, diesem unglaublich warmen Lächeln, die Stratocaster ablegte, um sich seine Mandoline reichen zu lassen? Dann haben wir „Rory! Rory!“ geschrieen, weil wir wussten, jetzt kommt „Going to my Hometown.
Und noch Stunden nach dem Konzert sind wir besoffen von Musik durch die Straßen gelaufen und haben „Rory! Rory!“ gebrüllt. Das geht nun nicht mehr. Vor zwölf Jahren ist er gestorben, mit 47. Ach. Er fehlt.
[tags]Blues, Rock, Rory Gallagher, Ehrlichkeit[/tags]