Essen in Butte aux Cailles

Bevor man im Pariser Viertel Butte aux Cailles Essen geht, sollte man in einer der zahlreichen Kneipen dieser paar Straßenzüge seinen Aperitif nehmen. Das kann der klassische Pastis sein, das kann auch schon ein schönes Glas Wein sein, der in den meisten Lokalen offen in einer Qualität ausgeschenkt wird, die wir hierzulande im Lokal nur aus Flaschen der gehobenen Preisklasse kennen.

Folie en tete
Vom Bier rate ich wegen der zum Teil vollkommen bizarren Preisgestaltung ab. 4 Euro für 0,25l (verwirrenderweise als „demi“ bezeichnet) sind keine Seltenheit. Aber man fährt ja – hoffentlich – nicht des Bieres wegen nach Paris.
Chez Gladines
Im „Chez Gladines“ – Schwerpunkt baskische Spezialitäten – teilten wir uns zur Vorspeise einen Teller Chorizo (hätte mit entsprechender Brotmenge durchaus auch als kaltes Abendbrot gereicht), dann trennten wir uns, gottseidank nur kulinarisch. Die geduldigste Gemahlin von allen genoss ein ausgezeichnetes „Poulet Basquaise“, das ich schon mehrmals nachkochen durfte, während ich mich einer meiner großen Leidenschaften widmete, der Andouillette. Zugegeben, diese traditionsreiche Wurst ist nicht jedermanns Sache. Ein guter Freund sagte mal zu mir „Andouillette MUSS man mögen!“ Okay, ich mag Andouillette. Im Chez Gladines servierte man sie in ausgezeichneter Qualität (Andouillette-Freunde wissen, das man diesbezüglich auch ziemlich reinfallen kann) und ziemlich stark gegrillt, zusammen mit Salat, Pommes Chips und sehr scharfem Senf, eine schöne, wenn auch ziemlich deftige Kombination. Deswegen strich ich beim Dessert die Segel, während die konditionsstärkere bessere Hälfte noch Platz für eine Creme Brulée hatte. Zusammen mit einer Flasche ganz ausgezeichneten Muscadets hab ich für dieses Menü knappe 40 Euro bezahlt. Als wir gegen halb neun das „Chez Gladines“ verließen,. standen die Menschen bis auf die Straße Schlange, um auf freiwerdende Plätze zu warten. Ist das ein Wunder, angesichts dieses schlicht sensationellen Preis-Leistungs-.Verhältnisses?
Les temps des cerises

Auch als wir einen Abend später zufrieden und satt das „Les Temps des Cerises“ verließen, mussten wir uns an einer solchen Schlange vorbeidrücken. Hier setzt man ebenfalls auf gediegene französische Traditionskost: ein unglaublich üppiges Cassoulet, normannische Blutwurst, Puy-Linsen mit tomatisierten joue de porc confite… ich hab schon wieder keinen Nachtisch geschafft! In diesem traditionsreichen Arbeiter-Lokal kann man sich übrigens die verschiedensten Menüs zu Preisen zwischen 9 € (2 Gänge) und 20 € (4 Gänge) zusammenstellen. Saftige, preiswerte Landweine.
Schließlich ist noch das L’Esperance zu erwähnen, das ich peinlicherweise zu fotografieren vergaß. Wohl weil ich so stolz war, endlich einen Nachtisch, in diesem Fall eine kleine Käseplatte, geschafft zu haben. Spezialität des Hauses ist das Couscous in verschiedensten Variationen, zweimal in der Woche sogar mit Hammelfleisch. Ja, Hammel. Nicht Lamm. Ausgezeichnete marokkanische Landweine. Und natürlich ebenfalls proppenvoll.
Vielleicht sollten einige mir bekannte Berliner Jammer-Gastronomen, die sich gern lautstark über den zunehmenden Geiz ihrer stetig schwindenden Kundenschar beklagen, mal einen kurzen Studienaufenthalt in Butte aux Cailles erwägen. Einfache, aber gut gemachte Küche, solide Weine, das alles zu bezahlbaren Preisen… das müsste doch hierzustadts auch ein Erfolgsrezept sein. Aber solang man in Berlin immer noch glaubt, nur überleben zu können, wenn man 7,50 Euro für eine Kartoffelsuppe und 6 Euro für 0,1 l vergessenswerten Chardonnays verlangt, solang wird man auch von den Schlangen vor den Restaurants nur träumen können. Ich jedenfalls würde mich in Butte aux Cailles jederzeit wieder anstellen und aufs Essen freuen. In echt.

[tags]Essen, Restaurant, Paris, Butte aux Cailles[/tags]

5 Gedanken zu „Essen in Butte aux Cailles

  1. hey

    nett mal was über mein lieblingsviertel in paris zu lesen…kann di auch noch das le deci sehr ans herz legen…in der rue des cinq diamants 51 also gleich um die ecke rum. hier gibt es in etwas futuristischer umgebung frischeküche auf hohem niveau und preislich sehr angemessen. menu für 30 eur. empfehlenswert!reservieren!!

    U.

  2. Toller Tipp. Mörder Aufschnittplatte für 8. Reichte dicke für zwei gute Esser. Chipirones und Ente mit Pommes Chips für 11,5. Pulle Muscadet 13. Wer hier den Nachtisch schafft, hat bei Point in Vienne gelernt.

Schreibe einen Kommentar zu Carsten Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert