All the news that’s fit to print…

Ganz harter Tobak, den der Tagesspiegel hier knallhart aus dem Goethe-Gymnasium rausrecherchiert hat:

Nicht Schulfremde, sondern eigene Schüler waren in den Vorfall am altsprachlichen Wilmersdorfer Goethe-Gymnasium beteiligt. Direktorin Gabriele Rupprecht berichtet, dass der Täter zu einer dreiköpfigen Schülergruppe von Neuntklässlern gehört hatte, die seit einem Dreivierteljahr von Siebtklässlern gemobbt worden war. Die Situation sei vor zwei Wochen eskaliert, nachdem einer der Siebtklässler einem der Neuntklässler ein Gebäckstück entrissen und auf den Boden geworfen habe. In der darauffolgenden Hofpause habe sich der „ganze Frust der neun Monate entladen“: Der Neuntklässler schlug dem Siebtklässler ins Gesicht, das Nasenbein brach. Alle Beteiligten sind Deutsche.

Natürlich befürchte ich schon seit geraumer Zeit, dass hier eine Generation von Weicheiern heranwächst, die nix vertragen (nach lumpigen 55 Tequila ins Koma kippen und den Löffel abgeben!) können, aber dieser Artikel gibt mir denn doch zu denken. Die Vorstellung, das es einem Haufen Siebentklässlern gelingt, über Monate hinweg zwei Jahre ältere und – wie man meinen sollte – ihnen geistig und körperlich hoch überlegene Mitschüler zu mobben, ist schon einigermaßen bizarr. Aber was hat eine derartige Meldung in einer Zeitung wie dem Tagesspiegel (Okay, der hat vor etwas mehr als einem Jahr auf Seite 1 mal mit „Tote Katze auf Rügen entdeckt!“ aufgemacht) zu suchen?
Statt mir auf dem Schulhof Gebäckstücke aus der Hand schlagen zu lassen, habe ich als junger Mensch begonnen, kleine Artikel für unsere Lokalzeitung, die Werra-Rundschau zu verfassen, die zu meiner großen Freude auch gedruckt wurden. Wenn ich jedoch dem damaligen Lokalredakteur mit dieser Story gekommen wäre…
„Herr Cortis, Herr Cortis… ich hab eine Riesen-Story, die muss ins Blatt!“
„Nun beruhige dich doch, Chris, was ist denn passiert?“
„Bei uns auf dem Schulhof, da hat ein Neuntklässler einem Siebentklässler eine runter gehauen und das Nasenbein gebrochen!“
„Ja. Und?“
„Und was?“
„Äh… ich meine, warum? Warum hat er ihm eine runter gehauen?“
„Weil der ihm das Pausenbrot aus der Hand geschlagen hat.“
„Ah, ja. Hätte ich vermutlich auch so gemacht. Soll er doch mein Pausenbrot in Ruhe lassen. Und weiter?“
„Wie weiter?“
„Das war alles?“
„Aber ja. Reicht das denn nicht?“
„Ich fürchte nein. Für die Werra-Rundschau reicht sowas nicht.“
Für den Tagesspiegel aber schon.
[tags]Tagesspiegel, Schule, Berlin, Weicheier, gehirnalbern, Ungeheuer! [/tags]

8 Gedanken zu „All the news that’s fit to print…

  1. Wahrscheinlich hast Du recht!

    Schade. Hatte mir schon ein Sommertheater ausgemalt, wenn es ein Amerikaner gewesen wäre, der in Berlin zu Boden gegangen ist.

  2. Und dann bitte mit Post (vom zur Zeit leider recht zahmen) Effjott. À la

    Liebe Berliner Schüler,

    oder sollte ich Euch gebäck-schleudernde PISA-Meute nennen. Wisst Ihr denn gar nichts? Der Amerikaner hat Euch die Freiheit geschenkt. Ich erinnere mich noch gut… als junger Volontär… Zigaretten getauscht… getanz… erste Kuss schmeckte nach Kaugummi… usw.

    Herzlichst

  3. Watetnichalletjibt!
    Gerüchten zufolge wurden übrigens für teuer Geld Mediatoren engagiert, die sich um diese doch offenbar existenziellen Schulprobleme kümmern sollten. Die Kosten dafür sollten auf alle (!!!) Eltern umgelegt werden. Als nächstes möchte ich dann hören, dass es sich insgesamt um ein Komplott unterbeschäftigter Mediatoren handelt, die ihre Kinder mit Coca Cola und Hamburgern bestochen haben, damit sie Stunk machen.
    Liebe Grüße

  4. Mir gefällt vor allem der mit unserer Neugier spielende Einstieg „Nicht Schulfremde, sondern eigene Schüler”, weil man sich fragt, wie sie aus dem Satz wieder rauskommen. Und der Schluss schafft es dann tatsächlich, den nicht schuldfremden Kreis zugleich zu erweitern und zu schließen: „Alle Beteiligten waren Deutsche.” Das gibt’s nur in Berlin.

  5. Och, Berlin hat das nicht exklusiv, Sebastian? Über dreißig Jahre ist das schon her, da besetzten RAF-Terroristen die Botschaft in Stockholm. Und wenn ich mich recht entsinne, titelte die AZ seinerzeit: „“Unglaublich! Unter den Terroristen ein Münchner!“

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