Wirklichkeit ist ein relativer Begriff, besonders was die menschliche Wahrnehmung anbelangt.
Käme ich auf die Idee, den Aktivitäten eines Influencers meiner Altersklasse zu folgen, der sich z. B. „Selbstportrait-Sebastian“ nennt? Selbstverständlich nicht, ich bin doch nicht bescheuert.
Die gute Nachricht der Woche: Im Mitzwinkel ist wieder was los.
Wenn Sie ins Drehbuchgeschäft einsteigen wollen und für ihr Debüt-Projekt die Zusage eines internationalen Top-Stars brauchen, hat Ron Perlman einen unbezahlbaren Tipp von Sir Michael Caine für Sie.
Seit ein paar Tagen läuft auf Netflix die Fresskomödie „Nonnas“. Hier wird mit der Wurst nach der Speckseite der Salsiccia nach der Guanciale geworfen. Der Film lässt kein Italien-Klischee aus, nach fünf Minuten weiß man, wie’s ausgeht und keine einzige der überraschenden Wendungen ist unvorhersehbar. Trotzdem macht dieser Film einen Heidenspaß, und wer beim Anlaufen der Schlusstitel nicht in die Küche eilt, um eine Dose San-Marzano-Tomaten zu öffnen und eine köstliche Pasta-Sauce zu zaubern, hat kein Herz und ein Stück Löschpapier statt eines Gaumens.
Was nicht jeder weiß: Bei Korfu handelt es sich um auf Korsika praktizierte asiatische Kampfkunst.
Wenn Sie mal ordentlich einen draufmachen wollen, dann gehen Sie mit Maschinist aufs Schulfest.
Kulinarischer Wochenhöhepunkt war (wieder mal) das Lieblingsgericht der besten, geduldigsten Gemahlin von allen und mir im „Tapas España„, die gemischten Tapas mit Meeresfrüchten und Fisch.
Der Runner-Up war ein „Trip down Memory Lane“: Im „Chaplin“ genoss ich nach einigen Jahrzehnten mal wieder die betörende Textur frittierter Petersilie beim ehemaligen Szenekneipen-Klassiker, dem „gebackenen Kammbär“.
Möglicherweise nähere ich mich meinen „Vergreisungs-KIpppunkt“. Bei anderen Menschen erlebte ich den zum ersten Mal vor ca. 30 Jahren, als wir alle misstrauisch AOL-CDs in die Laufwerke unserer Rechner schoben, um dieses Internet-Dingenskrchen mal auszuprobieren. Damals hörte ich von einigen älteren Mitgliedern unseres Tennisclubs „Was soll ich denn mit E-Mail? Wenn ich mich mit dir zum Tennis verabreden will, dann kann ich dich doch anrufen. Nein, E-Mail brauch ich nicht!“ „So ist das also, wenn man alt wird“, dachte ich damals, „Irgendwann will man nicht mehr an Weiterentwicklungen teilhaben. Dann wird man alt.“ Diese Woche beschlichen mich beim Umgang mit einer sogenannten KI ähnliche Gedanken, wie sie damals meine Tennisfreunde hatten. „Brauch ich das wirklich? In der Zeit, die ich brauche, um dem dämlichen Rechenknecht zu sagen, was ich von ihm will, hab ich doch das Textchen selbst geschrieben!“ Und ich weigere mich schlichtweg, absurden Quatsch wie „Du bist ein 82jähriger Hilfsbibliothekar an der Unsichtbaren Universität mit Halbglatze, Hörrohr und Nickelbrille. Während der Beantwortung meine Fragen tust du aber so, als wärst du ein 49jähriger Marketing-Experte aus Upper Sendusky, dessen Hobbys Bahnengolf und das Sammeln von Briefmarken mit medizinischen Motiven sind.“ einzugeben.
Last, but not least: Podersdorf war, ist und bleibt das Weltzentrum des Extremsports.
Der Film „Nonnas“ war amüsant, wenngleich ein wenig schlicht. Aber wie schön, Susan Sarandon und Altersgenossinnen sehen zu dürfen. Echte Frauen ohne Pelzwimpern und Silikonpolstern in den Wangen. Wenn man all die Nicoles in Cannes gerade gesehen hat… große Dankbarkeit dafür.
Gerne hätte man aber noch gewusst, wie die Damen das nachmittags aufgesetzte Ochsenschwanzragout bis zum Abendservice so zart hinbekommen haben!
Die Zubereitungsdauer von Ochsenschwanz wird auf ewig ein Mysterium bleiben. Ich hab in den verschiedensten Kochbüchern schon alles mögliche zwischen zwei und sieben Stunden gelesen. Ich hab Ochsenschwanz (bei 130 bis 150 Grad) Noch nie in weniger als fünf bis sechs Stunden mürbe bekommen, aber sogar Frau Wildeisen behauptet, es ginge in dreieinhalb. Wie das gehen soll, ist mir ein Rätsel.
Wenn es wieder kühler wird, will ich mal eines in meinem Crockpot versuchen. Das ist dann immer erst für den nächsten Tag, denn in dem Ding gart es 6-8 Stunden locker vor sich hin.
Und ich pflücke es noch vom Knochen, einer Bekannten ist mal ein ganzes Stück vom Teller auf die Bluse gehüpft.
Ich bringe NIE die Knochen mit auf den Tisch. Ochsenschwanz war eins der Leibgerichte meines Vaters, wobei er es besonders schätzte, die Knochen geräuschvoll auszuzutzeln. Wenn ich Ochsenschwanz mit Knochen sehe, hab ich sofort diese Geräuschkulisse wieder im Ohr, das muss nicht sein. Ja, die Kriegsgeneration hat nix verkommen lassen …