Der Wechsberg-Skandal

Das neue Jahr beginnt mit einem Ärgernis, oder genauer gesagt, mit der Fortsetzung eines Ärgernisses, das ich jetzt erst entdeckt habe. Ach was, Ärgernis, es ist ein Skandal, es ist die mögliche Ursache aller Küchenkatastrophen, DER Grund, warum unsere Küchen-Pisa-Quote in den Keller schnellt: Eins der schönsten Bücher über das gute Essen und Trinken ist vergriffen und hierzulande nur noch antiquarisch aufzutreiben: Joseph Wechsbergs Meisterwerk „Forelle blau und schwarze Trüffeln“.
Ich weiß nicht mehr, wie ich vor ca. dreißig Jahren auf dieses Buch gekommen bin, ich glaube, Wolfram Siebeck hatte es in einer Kolumne oder einem Kochbuch empfohlen, jedenfalls hatte ich es auf meinen Wunschzettel gesetzt, und meine liebe Mutter – die also auch für diesen wesentlichen Teil meiner kulinarischen ausbildung verantwortlich zeichnet – hatte es mir auf den Gabentisch gelegt, ein kleines, gebundenes Buch mit blauem Schutzumschlag und einem schon damals etwas altbacken wirkenden Linolschnitt auf dem Umschlag. Daneben lagen – natürlich – noch weitere Bücher mit durchaus verlockenderer Optik, vielleicht war sogar ein neuer Le Carré dabei, trotzdem griff ich zuerst zum Wechsberg, schließlich hatte Siebeck ihn ja empfohlen. Ich schlug also das kleine Buch auf, blätterte ein wenig, irgendwo hakte mein Leserhirn ein und ab ging die Lucie. In einem Rutsch hab ich das Buch durchgelesen und fortan hat es mich nicht mehr losgelassen.
Was kein Kunststück ist, denn wer diesen „Wanderungen eines Epikureers“, wie der Untertitel heißt, einmal gefolgt ist, der schlägt den gleichen Weg immer wieder ein. Wechsbergs rastlose kulinarische Neugier, sein lebenslanges Unterwegssein zur nächsten guten Mahlzeit… dieser way of life ist überzeugend, ansteckend, faszinierend, daher bleibt es nicht aus, das man dieses Buch wieder und wieder zur Hand nimmt.
Auf dem eigenen kulinarischen Weg folgen einem die Geschichten, die Wechsberg erzählt. Vom Restaurant Gundel in Budapest. Von den unvergleichlichen Rindfleischgerichten im Meissl & Schaden in Wien. Von Ferdinand Point und seiner Pyramide…
Dieses Schlusskapitel über Point allein sichert Wechsberg einen Ehrenplatz im Olymp der Gastrosophie. Die Mischung aus Humor und Ehrfurcht, aus Nähe und Distanz, mit der er den genialen Perfektionisten und Kauz Ferdinand Point, den Erfinder der modernen Spitzengastronomie, portraitiert, macht diesen Text zu einem, Quatsch, zu DEM Höhepunkt der Fress-Literatur schlechthin. Ein liebevolleres, genialeres, besesseneres, appetitanregenderes Portrait eines großen Kochs und Restaurateurs ist noch nicht geschrieben worden. Wer das Point-Kapitel liest und nicht sofort davon träumt, an der Tafel des Meisters Platz nehmen zu dürfen, dem ist zumindest kulinarisch nicht zu helfen.
Und dieses Buch, das mir – und tausenden anderen Menschen – die Welt der guten und der großen Küche vorstellte, nahe brachte und letztlich öffnete, soll es jetzt nur noch als diffizil via Antiquariat zu erringende Jagdbeute geben? Nichts gegen unsere Antiquariate, aber Wechsbergs Meisterwerk gehört in die Buchhandlungen dieses Landes und nicht in die Obskurität der Amazon-Zweit- und Drittanbieter. „Forelle blau und Schwarze Trüffeln“ gehört wieder ins Sortiment!
[tags]Kochen, Wechsberg, Gourmet, Literatur[/tags]

Das Gulasch, das ein Pörkölt ist

Mein Gulasch koch ich seit Jahren nach diesem Rezept, obwohl es genau genommen gar kein Gulasch ist, was am Schluss dabei rauskommt. Wenn ich richtig informiert bin (Und wer kann das bei sogenannten Traditionsrezepten letztlich sein? Wegen der korrekten Zubereitungsweise eines Spanisch Fricco – könnte ich auch mal wieder machen – sind in meiner nordhessischen Heimat die erbittertsten Stammesfehden ausgebrochen.), gehört in ein „richtiges“ Gulasch kein Paprikapulver, sondern lediglich die klassischen Gulaschgewürze Kümmel und Zitronenschale, durch Zugabe von Paprika mutiert das Gulasch nämlich zum Pörkölt. Okay, jetzt hab ich mein angelesenes Wissen abgeladen, jetzt können wir kochen.
An Zutaten brauchen wir für sechs bis acht hungrige Gestalten: ca. 3 Pfund Fleisch, die gleiche Menge Zwiebeln, mindestens 1 Esslöffel scharfes , 1 Esslöffel edelsüßes Paprikapulver, Tomatenmark, einen halben Liter Rotwein (säurebetonten Cotes Du Rhone z. B.) und im Gewürz-Ei tummeln sich Knoblauch, Lorbeer, Piment, Kümmel und Zitronenschale.
Gewürz-Ei für Gulasch
Bei der Auswahl des Fleischs muss der Metzger des Vertrauens im wahrsten Sinne des Wortes die Muskeln spielen lassen. Um das dubiose Zeugs, was als Gulaschfleisch über die Supermarkt-Theke geht, mach ich gern einen Bogen, ich kaufe zwei Drittel Rind und ein Drittel Schwein, vom Schwein z. B. den Nacken, vom Rind gern die Wade, und am Fleisch sollten Häutchen, Flechsen und Sehnen sein, also das, was man sonst mit Entsetzen im Blick abschneidet, weil man’s den Gästen nicht zumuten möchte. Mein Gulasch wird stundenlang geschmort, und während dieser Zeit verkochen Häutchen, Flechsen und Sehnen vollständig und geben der Sauce Textur und unvergleichlichen Geschmack. Das Fleisch wird gewürfelt, die Zwiebeln werden geschält und grob zerschnitten.
Gulasch im Rohzustand
Auf den ersten Blick erscheint die Zwiebelmenge durchaus gewaltig, aber auch hier gilt, dass die Biester sich während der langen Schmorzeit in Wohlgefallen und Sämigkeit auflösen werden. Nun wird der Schmortopf auf den Herd gesetzt, auf mittlere Hitze gestellt, Fett hineingegeben (Öl, Schweineschmalz, was gerade da ist) und das Fleisch wird portionsweise angebraten. Nur jeweils soviel Fleisch in den Topf geben, dass die Würfel neben- und nicht übereinander liegen, damit sie kein Wasser ziehen. Bei 3 Pfund Fleisch sind das ca. 6 Portionen, und die Anbraterei dauert zwanzig Minuten bis eine halbe Stunde.
Gulasch beim Anbraten
Wenn das Fleisch schön braun ist, wird es erstmal beiseite gestellt und die Zwiebeln kommen in den Topf. Die werden jetzt zwanzig Minuten bis eine halbe Stunde lang bei geschlossenem Deckel ins Schwitzen gebracht, bis sie glasig sind. Dann kommt das Paprikapulver und das Tomatenmark hinzu, es wird kräftig gerührt, dass eine satte, rote Pampe entsteht, das Fleisch wird hinzugegeben, gesalzen, gepfeffert, mit dem Rotwein abgelöscht und aufgekocht. Gegebenenfalls fügt man noch etwas Wasser hinzu, so dass Fleisch und Zwiebeln gerade eben noch aus der Flüssigkeit ragen, hängt das Gewürz-Ei rein und lässt das Gulasch jetzt mindestens zwei, gerne zweieinhalb bis drei Stunden lang in Ruhe, während es bei kleinster Hitze vor sich hin simmert. NICHT kocht. Zu große Hitze ist der größte Feind des gelungenen Schmorgerichts, die Flüssigkeit im Topf soll so gerade eben in Bewegung sein, NICHT sprudelnd kochen.
Nach ca. einer Stunde beginnt ein kräftiges, gulaschiges Aroma durch Küche und Wohnung zu ziehen, das immer kräftiger wird, so dass dem Gulaschfreund das Wasser sturzbachartig in den Mund läuft. Das Gulasch ist fertig, wenn man den betörenden Duft nicht mehr aushält.
Gulasch
Standhafte Naturen mit der Selbstkontrolle eines Samurai lassen das Gulasch über Nacht abkühlen und servieren es am nächsten Tag aufgewärmt und erzielen auf diese Weise einen weiteren Geschmacksgewinn. Weichlinge wie ich hauen sofort rein, haben aber soviel gemacht, dass am nächsten Tag noch mindestens eine Portion aufgewärmt werden kann. Mahlzeit!
[tags]Kochen, Gulasch, Pörkölt, Rezept[/tags]

Ein Glas ist nicht genug

Fressack beobachtet mit Erstaunen, dass seine Gäste immer öfter das Mineralwasser im Glas vor sich verdunsten lassen, anstatt sich in bester Feierlaune den einen oder anderen Schoppen zu gönnen.
Zeit für ein Geständnis: Ich bekenne mich schuldig. Auch bei mir kommt’s immer öfter vor, dass ich ein Glas Wein über die ganze Zeit strecke, die ich in einem Restaurant verbringe, und den Durst vorwiegend mit Wasser lösche. Hier in Berlin – vor allen Dingen im Bereich der mittleren bis gerade mal soeben angehobenen Gastronomie – hat sich meiner Ansicht nach ein Missverhältnis zwischen den Preisen für Wein und Essen etabliert. Das fiel mir beim erstaunten Nachrechnen einiger Restaurantrechnungen auf: da stellte ich nämlich konsterniert fest, dass ich für die begleitenden Getränke genauso viel oder gar mehr gezahlt habe als fürs Essen, ohne dass ich etwas besonderes im Glas gehabt hätte oder auch nur in die Nähe eines Rauschs geraten wäre.
Eine Vorspeise geteilt, zwei Hauptgerichte, ein Nachtisch für die geduldigste Gemahlin von allen, da komm ich mit 30 bis 35 bis allerhöchstens 40 Euro hin, das freut, aber 4 Gläser eines plörrigen Chateau de Schwurbel á 6 bis 7,50 plus eine große Pulle Mineralwasser zum gleichen Preis… heißahoppsa, die Freude ist dahin. Jaja, ich weiß, das ist eine Mischkalkulation, das, was die Küche raus gibt, müsste eigentlich viel teurer sein, das holt sich der pfiffige Gastronom eben über die Getränke wieder rein.
Find ich aber nicht pfiffig. Erstens zahl ich lieber direkt und nicht über den Mixer, und zweitens möchte ich nicht mein Essen durch die Überbezahlung zweifelhaften Weins subventionieren. Dann meldet sich nämlich mein innerer Geizkragen zu Wort: „Mensch, Chris, trink langsamer. Ein Glas zum Essen reicht. Das Geld, was du hier sparst, kannst du im Weinladen um die Ecke für einen 02er Schwurbolo oder eine 96er Crianza Schwurbenillo anlegen, da kostet die ganze Flasche nur etwas mehr als ein Glas dieser Plörre und schmeckt hundertmal besser…“
Und wenn mein innerer Geizkragen mal angefangen hat, mich zuzuquallen, dann ist er kaum zum Schweigen zu bringen. Hinterher hör ich noch auf den. Dann bleib ich am Ende ganz zu Hause hocken, brutzel mir was zusammen und entkorke meine Schnäppchen, die ich mir durch Lokal-Abstinenz zusammengespart habe. Und merke dann gar nicht mehr, wenn um die Ecke endlich mal ein Laden aufmacht, in dem fair und ehrlich kalkuliert wird. Und in dem es Spaß macht, „noch einen allerletzten“ zu trinken.
Genauso ein Lokal scheint übrigens Fressack zu haben. Wenn ich da endlich mal aufschlage, werde ich’s sicherlich nicht bei einem Schoppen bewenden lassen. Braucht nicht irgendwer in Frankfurt ein paar Texte? ’n Drehbuch? Irgendwas? Schreibe auf Zuruf!
[tags]Gastronomie, Getränke[/tags]

Das Tagebuch des Herrn Klink und die Probleme mit meiner Sidebar

Die Netzecke gibt’s jetzt über ein Jahr, und über ein Jahr lang war ich mit der Einteilung der Sidebar (das ist wo im Browser rechts ist) sehr zufrieden, aber jetzt habe ich ein Problem. Ein Problem namens Klink, Vincent Klink.
Die Links in meiner Sidebar habe ich aufgeteilt in Freunde, die wo nicht bloggen (sinnigerweise unter „Freunde“ katalogisiert), und in Freunde und Menschen, die bloggen und deren Blogs ich regelmäßig lese (Ja, richtig geraten, die stehen unter „Lieblingsblogs“).
Wo soll ich aber nun Herrn Klink hinstecken? Herr Klink führt nämlich ein Internet-Tagebuch, das beinahe ein Blog ist. Er schreibt dort auf, was ihm beim Kochen so durch den Kopf schießt, und das ist höchst amüsant, lesenswert und hat zumindest mein Wissen über die Feinheiten des Kochens deutlich bereichert.
Der Herr Klink nimmt für sein Tagebuch aber keine Blogsoftware, sondern „pfriemelt“ (O-Ton) seine Homepage selbst zusammen, folglich gibt’s keinen RSS-Feed und keine Kommentarfunktion (die sicherlich zu hunderten auflaufenden Kommentare kann er sich auch rein zeitlich nicht antun), folglich schreibt der Herr Klink also keinen Blog, und so kann ich ihn nicht unter „Lieblingsblogs“ kategorisieren, obwohl ich ihn regelmäßig und mit großer Freude lese. Unter „Freunde“ kann ich ihn auch nicht einsortieren, denn der Herr Klink kennt mich ja nicht und hat sicherlich keinerlei Interesse an derart einseitig erklärten Freundschaften.
Nichtsdestotrotz, wer sich fürs Kochen oder die Gastronomie interessiert, sollte mal die Website von Herrn Klinks Restaurants ansteuern. In der dortigen Sidebar (die wo bei Herrn Klink links ist) wird auf Tagebuch geklickt, dann kann man Jahr und Monat anwählen. Wirklich schön zu lesen.
Für meine Sidebar habe ich eine vorläufig-salomonische Lösung gewählt.
[tags]Tagebuch, Kochen, Gastronomie, Vicent Klink[/tags]

Schnörkelloses Wildschwein

Lange nix gekocht in der Netzecke. Da nimmt man am besten ein erprobtes Rezept, eins von den narrensicheren Dingern, die nicht schiefgehen können. Wildgulasch schnörkellos. Mit Wildschwein schmeckt’s mir am besten, also brauch ich für 4 Personen ein Kilo Wildschweinschulter oder Wildschweinkeule, in Würfel geschnitten, die man noch mal durchschneiden muss, bevor man sie in den Mund schiebt, zwei, drei Zwiebeln, eine handvoll Würfel vom durchwachsenen Speck, zwei, drei Handvoll kleine Champignons, ein großes Glas richtig trockenen Rotwein, Fleischbrühe und – fürs Gewürz-Ei – Knoblauch, Piment und Lorbeerblätter. Das gewürfelte Gulaschfleisch portionsweise braun anbraten, wenn alles goldbraun ist, kommen die gewürfelten Zwiebeln in die leere Pfanne, die werden kurz angeschwitzt, dann kommen Speck und Champignons dazu, kurz durchrühren, das Fleisch wieder dazugeben, salzen, pfeffern und mit dem Rotwein ablöschen. Etwas einkochen lassen, das Gewürz-Ei in den Topp hängen und die Brühe dazugießen (Perfektionisten, die Wildfond im Vorrat haben, nehmen natürlich solchen), dass das Fleisch knapp bedeckt ist. Hitze runter, dass es gerade noch eben simmert, so hin und wieder ein bißchen blubbst im Toppe. Warten. So ’ne Stunde, anderthalb. Dann ist fertig. Wer’s mag, kann die Sauce noch binden (Mehlbutter, Mondamin, was weiß denn ich). Wer mag, kann auch noch Sahne dazukippen. Wer mag, kann auch noch Preisselbeeren reinrühren. Ich mach das alles nicht. Mir schmeckt die schnörkellose Basisversion am Besten. Mit Rosenkohl. Oder Sahnewirsing. Klöße, Kartoffeln, Nudeln, was gefällt. Polenta passt auch sehr gut. Und was Burgundriges. Mahlzeit!
Wildschweingulasch mit Rosenkohl
Wobei dieses Gulasch ja eigentlich ein Ragout ist. Zum Gulasch fehlen die klassischen Gulaschgewürze (Kümmel, Zitronenschale, könnte man aber mal probieren), zum Pörkölt, das hierzulande gern Gulasch genannt wird, fehlt das (der?) Paprika, also ist es ein Ragout. Das klingt aber viel zu hochtrabend für dieses einfache Gericht. Deshalb bleibt’s beim Gulasch.
[tags]Kochen, Wildschwein, Gulasch, Ragout, einfach[/tags]

Das große Gänse-Pig-Out

Das machen wir jetzt seit bald 30 Jahren: einmal im Jahr kommen mein lieber Freund Uwe und seine Frau Bettina zu uns zum Gänse-Essen. Nein, Gänse-Essen wäre eine Spur untertrieben, der jährliche Gans-Termin ist der eine Abend, wo wir richtig reinhauen, wo jeder von uns vieren sich in einen klassischen Gänsebraten hinein wühlt, als gäbe es kein Morgen und soviel Gänsefleisch, Füllung, Bratäpfel, Rotkohl, Grünkohl, Klöße und Sauce in sich hinein stopft, dass es dann auch für ein Jahr genug ist. Muss ich sagen, dass ich mich – nachdem nach ca. 3 Tagen das leichte Völle-Gefühl etwas abgeklungen ist – fast ein ganzes Jahr lang auf dieses Essen freue?
Fürs große Gänse-Pig-Out kaufe ich eine Gans von ca. 5 Kilo, und zwar nicht nur aus Gründen unseres gesunden Appetits, sondern auch des Timings und der Bequemlichkeit halber. Weil ich nämlich festgestellt habe, dass ein Viech dieser Gewichtsklasse ohne viel Umstände nach exakt drei Stunden auf Stufe 3-4 in meinem Backofen perfekt gegart ist, schön durch, mit krosser Haut, aber noch saftig. Kommen wir zur Gretchenfrage: Frisch oder Tiefkühl? Im Prinzip ziehe ich frisch ja vor, aber ich muss sagen, dass ich ganz ausgezeichnete Erfahrungen mit tiefgekühlten Gänsen einer polnischen Firma gemacht haben, die nicht nur geschmacklich mit den meisten frischen Gänsen durchaus mithalten können, sondern auch praktisch küchenfertig aus der Truhe kommen.
Das freut die geduldigste Gemahlin von allen, deren Aufgabe es ist die (gegebenenfalls aufgetaute) Gans zu putzen. Also das Fett aus der Bauchhöhle rauspolken (wird natürlich nicht weggeworfen, sondern klein geschnitten und zu Gänseschmalz geschmolzen. Schwarzbrot mit Gänseschmalz und Kochkäse… auch so eine Leidenschaft!), nachgucken, ob die Gans auch richtig ausgenommen wurden und eventuell noch vorhandene Rest-Innereien entfernen und etwaige Kiele aus der Gänsehaut zuppeln (Wenn’s viele Kiele sind: Gans für eine Viertelstunde in den heißen Ofen schieben, dann kann man die Kiele ganz einfach rausziehen).
Während die geduldigste Gemahlin sich abmüht, mische ich Salz, Pfeffer und Beifuss, und mit dieser Gewürzmischung reibe ich das Viech von innen und außen großzügig ein. Außerdem mach ich ’ne Füllung: 1 Zwiebel und 2 Äpfel sehr kleinschneiden (oder gleich reiben), vermengen mit einem Pfund gemischtem Gehacktem, einem eingeweichten und ausgedrückten Brötchen, 2 Eiern, Senf, Salz und Pfeffer. Jetzt wird der Hautlappen vor der Halsöffnung der Gans mit Zahnstochern festgesteckt und die Füllung hineingestopft. Dann ist immer noch Platz für 2, 3 Äpfel und die kommen auch rein. Das ganze bloß nicht zu voll machen, locker bleiben ist die Devise, innerlich und gänslich. Die Bauchöffnung mit Zahnstochern zustecken und mit Fleischerfaden oder Baumwollgarn überkreuz zubinden, so, wie man früher die Skischuhe verschnürt hat. Dann sieht das Viech so aus. Nicht sehr vertrauenerweckend? Das wird sich ändern.
Vorher
Der Ofen wird vorgeheizt, bei meinem Gasherd wie gesagt auf Stufe 3 bis 4, beim E-Herd dürften so 180 Grad hinkommen. Und der große Gänsebräter wird startklar gemacht. Bisschen Schmalz auf den Boden, dass die Haut nicht anbackt, und – sofern vorhanden – Gänsehals, Flügelspitzen, Magen und Herz hinein legen. Obendrauf wird die Gans gepackt, zunächst mit der Brust nach unten. Ab in den Ofen. Spätestens nach einer halben Stunde sollte man es aus dem Rohr satt bollern hören, dann wird mit einem großen Glas Rotwein abgelöscht. Noch mal ’ne halbe Stunde Zeit geben, dann ist es Zeit, dass Viech umzudrehen. Dabei nicht zaghaft sein: Das Viech an den Keulen hochheben und umgedreht wieder in den Bräter setzen. Hoppsassa, das war’s.
Die meiste Arbeit ist getan. In den nächsten zwei Stunden muss das Viech nur noch alle zehn Minuten/Viertelstunde begossen werden. Auf den Flüssigkeitspegel achten, gegebenenfalls heißes Wasser angießen und vor allen Dingen die Brust schön feucht halten. Nach insgesamt drei Stunden sollte sich dem Gänsefreak ein solcher Anblick bieten:

nachher

Schon besser, nicht wahr? Bevor die geduldigste Gemahlin das Tranchiermesser schwingen kann, müssen allerdings noch mindestens zwanzig Minuten vergehen, in denen sich das Gänschen vom Öfenstreß erholen kann. Also: Gans raus aus dem Bräter, auf eine vorgewärmte Platte setzen und zurück in den mittlerweile ausgeschalteten Ofen schicken. Ofentür leicht offen lassen (Kochlöffel einklemmen), die Gans soll sich entspannen und nicht nachgaren.
In der Zwischenzeit mache ich die Sauce. Für das Entfetten derselben wende ich einen Trick an, der dem Profi-Koch die Haare zu Berge stehen lässt, der aber hervorragend funktioniert: Im Bräter haben wir jetzt einiges Gefiesel (Hals, Magen, Herz etc.), ungefähr einen Liter Gänsefett und ein paar Esslöffel konzentrierten Bratenfond. Das Gefiesel hebe ich mit der Schaumkelle raus, koche die verbliebene Flüssigkeit auf und binde den Fond mit Saucenbindemittel zu puddingähnlicher Konsistenz. Dann kann man das Gänsefett in einem Schwung abkippen, abkühlen lassen und später als Schmalz genießen. Den verbliebenen Saucenglob verdünne ich mit einem vorbereiteten aromatischen Gänsefond (mach ich am Vortag: Ein bis zwei Pfund Gänseklein kleinhacken, scharf anbraten, herausnehmen, Zwiebel und Suppengrün im Fett anschwitzen, Tomatenmark dazu, mit Wein ablöschen, fast ganz einkochen, Gänseklein wieder dazu, mit heißem Wasser auffüllen und ein paar Stunden köcheln lassen. Ein mit Knoblauch, Lorbeer, und Piment gefülltes reingehängtes Gewürz-Ei erweist sich als segensreich. Durchsieben, abkühlen lassen und über Nacht in den Kühlschrank stellen, dann kann man am nächsten Tag das Fett als Platte abheben. Natürlich kann man auch Geflügelfond aus dem Glas nehmen… Ist aber teurer und schmeckt nicht so gut). Zur Sauce kommt unbedingt noch Portwein dazu, auch Rotwein, der ruhig etwas säuerlicher sein darf als der, den wir gleich zum Essen trinken, salzen, pfeffern, einkochen, abschmecken… halt Sauce machen. Und das Messer für die geduldigste Gemahlin von allen wetzen, die jetzt den ausgeruhten Vogel in seine appetitlichen Einzelteile zerlegt. Und während sie das tut, trage ich die Beilagen auf den Tisch: den Rotkohl, den Grünkohl, die Thüringer Klöße, die Sauce… und dann folgen Äpfel, Füllung, Brust, Keulen, Flügel… und endlich, endlich, die reine Seligkeit. Ich liebe dieses Essen!

[tags]Kochen, Gänsebraten, Rezept, Lieblingsessen [/tags]

Nachgekocht: Versteckter Fisch

Eigentlich bin ich ja eher ein Küchenfreestyler, aber manchmal stößt man auf ein Rezept, dass so einleuchtend ist, dass man gar nicht anders kann als es einfach nachzumachen. Lauchstange in Ringe schneiden, mit feingeschnittener Zwiebel andünsten, bisschen Hokkaido auf der groben Reibe raffeln, kurz mitdünsten lassen, Löffelchen Schmand und Löffelchen Parmesan dazu, das alles auf eine mit Zitronensaft behandelte Lachstranche gepappt, 20 Minuten in den Ofen geschoben und…

Lachs mit Kuerbiskruste

Doch, da ist Lachs drunter, Ehrenwort. Aber man darf ihn ja nicht sehen, sonst wär es ja kein versteckter Fisch. Das genaue Rezept steht beim datenhamster.org, herzlichen Dank dafür.
Habe ich mich eben wirklich bei einem Datenhamster für ein Kochrezept bedankt?
[tags]Kochen, Lachs, Kürbis[/tags]

Bouillon!

Was für ein Scheiss-Tag! Da kommt man eine halbe Stunde zu spät ins Büro, weil man 40 Minuten auf eine 30 Sekunden dauernde Routine-Untersuchung bei der Orthopädin warten musste, wird von einer Praktikantin begrüßt, die gerade dabei ist, die Geschichte der schlechten Laune vollkommen neu zu schreiben, will dann seine Telefonliste abarbeiten und stellt zur eigenen Überraschung fest, dass alle (ALLE!) 8 (ACHT!) Leute, die auf der Liste stehen, bereits „im Wochenende“ (IM WOCHENENDE!) sind. Freitag vormittag um 10 Uhr 30. Ist die 4-Tage-Woche eingeführt worden, und ich hab wieder nix davon mitbekommen?
Ich erspare der sensiblen Leserschaft der Netzecke die weiteren Unbillen meines Tages: die steindummen, talentfreien Vollidioten, die meine Ohren abzuknabbern versuchten, die Texte, die sich meinen immer matter werdenden Bearbeitungsversuchen entzogen, die kreuzdämlichen Cold-Caller, die sogar zu doof waren, meine Beleidigungen zu verstehen… zum frühest möglichen Zeitpunkt eilte ich nach Hause, um Trost zu suchen bei der entzückendsten Ehefrau, der geduldigsten Gemahlin von allen… die sich zu Tode erschöpft von einem ähnlich harten Tag bereits zurückgezogen hat. Was jetzt? Die Rotweinflasche lockt…
Nein. Wenn es etwas gibt, was den geschundenen Menschen wieder aufrichtet, dann ist es eine gescheite Kochsession. Bouillon ist alle. Wir brauchen Bouillon. Wir kochen Bouillon!
Um die Ecke geflitzt, der Metzger des Vertrauens hat noch offen, ein paar Scheiben Rinderhesse müssen mit, eine Handvoll Kalbsknochen gibt er großzügig dazu, in der Schwarzen Olive stopft Mustafa mir das nötige Wurzelwerk in die Tüte und ich bin wieder daheim. In der Küche. Fleisch und Knochen gewaschen, in den Suppentopf gelegt, Wasser draufgeschüttet und die Hitze auf halb gedreht. Nicht volle Pulle, langsam erhitzen, das macht die Brühe voller und klarer. Sellerie, Möhren, Lauch und Zwiebel werden geputzt und in den Topf geworfen, das Gewürz-Ei wird geladen mit Petersilie, Lorbeer, Knoblauch, Nelkennägeln und Piment, aber noch nicht hineingehängt. Erst wird das Unwichtige vom Wichtigen getrennt, es wird abgeschäumt. Wenn man nicht gleich hitzemäßig Vollgas gibt, dann kann man Trübstoffe und Schmutz ganz einfach mit der Schaumkelle abheben, und was schließlich aufkocht, ist klare, reine Brühe… so soll’s doch sein. Jetzt wird gesalzen und die Gewürze werden reingehängt…
Und langsam, ganz langsam füllt sich die Wohnung mit dem Aroma der werdenden Bouillon. Der saftigen, aromatischen Brühe, die die Basis für viele zukünftige Mahlzeiten werden wird und jetzt schon den Odeur der Erschöpfung durch den Duft der Verheißung ersetzt. Jetzt – endlich! – schwindet mein Hunger und ich bekomme Appetit!
Die Bouillon ist noch Stunden von der Vollendung entfernt, aber im Kühlschrank sind noch Eier. Lauch und Pilze finden sich, ein schnelles Omelette, wunderbar! Wohlig gesättigt öffne ich den Rotwein. Sein Aroma und das der Bouillon vermischen sich, bis letztere denn fertig sein wird. Mir geht es wieder gut.
Kochen ist eine große Gnade. Wer kochen darf, dem geht’s nicht schlecht.

[tags]Kochen, Bouillon[/tags]

Die Killer-Kombination

Am Sonnabend hätte ich ein Stündchen länger schlafen können als sonst, hatte aber vergessen, den Wecker… was ist eigentlich das Gegenteil von „den Wecker stellen“?… also, ich hatte vergessen, den Wecker zu entstellen die Weckzeit aus dem Wecker zu entfernen, das Ding rappelte frühmorgens los und ich war wach. „Was machste nun mir der gewonnenen Stunde?“, fragte ich mich und antwortete relativ schnell: „Wenn du nicht direkt ins Büro fährst, sondern einen Umweg nach Neukölln machst und beim Benser frische Blutwurst holst, dann würde das wohl ziemlich genau eine Stunde dauern.“
Und so geschah es. Im Büro sank ich mit der zufriedenen Gewissheit in den Sessel, dass am Abend die beste Blutwurst der Welt auf den Tisch kommen würde, aber… wie? Shangri-La schien angesichts der derzeitigen Frischkräutersituation nicht angesagt, Bunzenparfait, Blunzengeröstel und Himmel und Erde sind zur Zeit etwas abgenudelt… eigentlich müsste mal ein neues Blutwurstrezept her. Also das Internetz angeworfen und… Nanu? „Ostpreußische Linsensuppe mit Blutwurst“? Hab ich ja noch nie gehört. Backpflaumen, Blutwurst und Linsen? Interessante Kombination, könnte ein Erfolg werden…
Für 4: 1 kg Blutwürste, am besten solche, die sich braten lassen. 250 Gramm Linsen (die feinen, grünen aus Puy sind optimal), 1 Stück Sellerie. 2 Möhren, eine Stange Lauch (das Weiße), 1 Zwiebel, Bouillon oder Gemüsebrühe oder Hühnerbrühe, ins Gewürz-Ei kommen Petersilienstengel, 2 Zehen Knoblauch, Lorbeer und Piment, und Gänseschmalz, Backpflaumen nach Belieben (wenn’s harte sind, sollte man sie ein wenig einweichen), ein Gläschen Wein, etwas Essig oder Balsamico. Nach Belieben Schmand.
Gemüse putzen und kleinschneiden, in nicht zu knapp Gänseschmalz andünsten, die Linsen dazugeben, kurz mitdünsten und mit der Brühe (welche auch immer man verwendet) ablöschen, aufkochen lassen, salzen und Pfeffer, das gefüllte Gewürz-Ei reinhängen und eine halbe Stunde kochen lassen. Währenddessen die Blutwürste pellen und in dicke Scheiben schneiden. 1 Blutwurst kleinwürfeln und nach einer Viertelstunde zusammen mit den Backpflaumen zu den Linsen geben. Nach einer halben Stunde sollten die Linsen weich sein, dann den Wein und den Essig/Balsamico dazukippen (nicht vorher! Sonst werden die Linsen nicht weich.) und etwas einkochen lassen. Die Blutwurstscheiben ohne weitere Fettzugabe in der Pfanne knusprig braten, in die Suppe geben, wer’s vertreten kann, gibt noch ein Löffelchen Gänseschmalz hinein und trägt’s zu Tisch. Dort steht ein Schälchen Schmand, aus dem sich jeder einen Klacks in die Suppe rühren kann, dann wird gekostet, und…
Ja. Oooooh, ja! Linsen, Pflaumen, Blutwurst… das gehört zusammen! Das wird’s jetzt öfters geben. Und beim nächsten Mal bin ich diesen betörenden Duft gewöhnt, dann werd ich vielleicht dran denken, vor dem Essen ein Foto zu machen.
[tags]Kochen, Linsen, Blutwurst[/tags]

Manieren für die Rübe

Die geduldigste Gemahlin von allen liebt Steckrüben. Während andere Männer sich glücklich preisen würden, eine Frau mit derart preiswerten Leidenschaften an ihrer Seite zu wissen, hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Nichts gegen preiswerte, deftige Gemüsesorten, aber ausgerechnet die Steckrübe? Nicht doch ’ne Aubergine? Sogar der ubiquitöse Zucchino dünkt mich attraktiver. Oder ein Artischöckchen? Schon gut, ich hab verstanden. Steckrübe also.
In der Tat ist es möglich, der plumpen Steckrübe Manieren beizubringen. Mit Zitronensaft. Ordentlich Zitronensaft verleiht der Steckrübe nicht gerade kulinarische Eleganz, er nimmt ihr aber komplett diese leicht dösig-penetrante Muffigkeit, wegen der sie mir zuwider war. Wenn man jetzt noch neunzig Prozent aller Steckrübenrezepte außer Acht läßt, in denen sie mit fettem Schweinefleisch zu langweilig-winterlichen Eintöpfen verkocht wird, hat man schon fast gewonnen.

Hähnchenkeulen im Steckrübenbett

Hähnchenkeule auf Steckrüben-Kartoffel-Bett
Für 2 Leute braucht’s 2 Hähnchenkeulen, 400 g Steckrübe (netto) und 2 Kartoffeln, beides geschält und gewürfelt, 1 Zwiebel und 2 Knoblauchzehen (feingehackt), 50 Gramm durchwachsener, geräucherterSpeck, gewürfelt, Zitronensaft, 1 halbes Glas Weißwein, Öl, Butter, Paprikapulver scharf, Salz, Pfeffer, Schnittlauch. Öl und Butter in einer tiefen Pfanne oder einem Wok erhitzen, Zwiebeln und Knoblauch anschwitzen, Speck, Kartoffeln und Steckrüben dazu und auf kleiner bis mittlerer Hitze anbraten, mit Zitronensaft beträufeln, salzen, pfeffern, Lorbeerblatt dazu. Hähnchenkeulen mit Salz, Pfeffer und Paprikapulver einreiben, in zweiter Pfanne auf kleiner Hitze langsam anbraten (mindestens zehn Minuten Zeit lassen), Keulen rausnehmen, auf die Kartoffel- und Rübenwürfel legen, Fett abkippen, Bratensatz mit dem Weißwein ablöschen und zum Gemüse und den Keulen geben, Deckel drauf und – je nach Keulengröße und Hähnchenalter – 20 bis 40 Minuten sanft schmoren. Hähnchenkeulen raus, fein geschnittenen Schnittlauch unter das Gemüse rühren und ab auf den Tisch damit. Mahlzeit!
[tags]Kochen, Kartoffeln, Steckrübe, Hähnchenkeule[/tags]