Vereinsaustritt 1972

Meine Mutter war katholisch, mein Vater evangelisch. Als sie 1939 heirateten, wurde meine Mutter exkommuniziert.

Einmal im Jahr erhielt meine Mutter Besuch von einem katholischen Priester, mit dem sie jeweils ein langes Gespräch führte. Irgendwann hab ich mal aus Neugierde gelauscht. Da hörte ich, wie der Priester meiner Mutter erklärte, dass sie vor dem Fegefeuer sowieso nicht mehr zu retten sei, weil sie einen evangelischen Mann geheiratet und zugelassen habe, dass ihre Kinder evangelisch getauft worden waren. Aber er würde versuchen, für die Kinder zu beten, damit sie vielleicht irgendwann auf den rechten Weg fänden. Das wäre aber nur möglich, wenn meine Mutter der katholischen Kirche etwas spendete, natürlich keine kleine Summe. Und nachdem er das Schicksal ihrer Kinder im Fegefeuer in wortwörtlich glühenden Farben ausgemalt hatte, erhielt er seine Spende. Wenn er endlich gegangen war, weinte meine Mutter meist ziemlich heftig.

Als ich dann älter wurde, lernte ich nach und nach die evangelischen Pfarrer meiner Heimatstadt kennen. Ich habe jeden von ihnen gefragt, wie er denn die Praktiken seines katholischen Berufskollegen beurteilt. Jeder dieser Pfarrer hatte ein gewisses Verständnis für dessen Vorgehensweise, „Mischehen“1 würden derartige Probleme eben mit sich bringen.

Ich bin dann zum frühestmöglichen Zeitpunkt, mit 16, aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Glaubensfragen haben bei meinem Austritt keinerlei Rolle gespielt, ich wollte einfach mit Menschen, die ein derart widerliches Verhalten gutheißen, nicht in einem Verein sein. Bisher habe ich keinen Grund gefunden, meine damalige Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Man muss ja nur die Zeitung aufschlagen bzw. das Internet bemühen, um zu sehen, dass Heuchelei und Gier nach wie vor die Kernkompetenz der großen Kirchen in Deutschland sind.

Alles richtig gemacht, damals, 1972. Wenn’s ein Fegefeuer gibt, dann hocken die Schwarzröcke drin.