Was erlaube Koch?

Nu regen sich alle auf, dass es dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gelungen ist, den Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängern zu lassen. „Berlusconi! Berlusconi!“ schreit jetzt sogar Spiegel Online, und tut dem biederen Koch zuviel der Unehre an: An Silvios riesigen Unterhaltungswert (Mädels, Medien und Moneten) reicht der nun bei weitem nicht heran.
Was mich jedoch nachhaltig irritiert: Wieso kann es sich in Deutschland ein hochrangiger Politiker erlauben, einen bekannten Journalisten derart lange, ausdauernd und sehr, sehr öffentlich anzugehen? Hätte während der langen Monate, in denen Koch Brenders Abgang betrieben hat, ein Berater oder Kochs eigene, innere Stimme ihm nicht sagen müssen: „Momentchen mal, Roland! Du legst dich hier mit einem bekannten Journalisten an. Wenn du so weitermachst, stürzen sich Brenders Kollegen wie die Hornissen auf dich. Die fangen an zu recherchieren, die lesen die Akten, die nehmen deine ganze Karriere unter die Lupe, drehen jedes Steinchen um, das du am Wegesrand liegen gelassen hast… und irgendwas werden sie schon finden. Wenn du auf diese Weise an Brenders Stuhl sägst, sägst du an deinem eigenen.“
Was hat Kochs innere Stimme ihm wohl geantwortet: „Lass sie ruhig recherchieren, ich bin zwar seit dreißig Jahren in der Politik, bin aber immer ehrlich und anständig geblieben, und so oft ich meinen Mund geöffnet habe, eine Lüge ist ihm nie entwichen?“ oder „Sowas wie Solidarität oder Ehre bei Journalisten? Während einer galoppierenden Medienkrise, in der jeder um seinen Job fürchtet? Mach dich nicht lächerlich. Rückgrat findet man an vielen Orten, aber nicht in einer Redaktion. Und außerdem: wer von diesen Schreibern der traurigen Gestalt hierzulande kann denn wirklich investigativ arbeiten? Die, dies konnten, sind tot, die, dies können, machen den Sport oder die Klatschspalten.“
Ist der deutsche Journalismus wirklich so harmlos, wie Roland Koch ganz offensichtlich denkt? In einem halben Jahr werden wir es wissen. Wenn Koch dann noch im Amt ist.