Wie ich einmal ein Zitat fälschte

Ich habe vor langer Zeit, als es noch kein Internet gab, ein Musical („Rotes Koma“) geschrieben. Damals war Schreiben noch ein eher mühseliges Geschäft, denn für vieles, was man heutzutage sekundenschnell mit ein paar Klicks recherchieren oder nachschlagen kann, musste man seinerzeit eine Bibliothek aufsuchen. Das machte ich damals einmal in der Woche, um dort meine angesammelten Rechercheaufgaben abzuarbeiten. Klappte ganz gut. Bis auf ein Mal…

Ich brauchte in dem Musical, in dem ein Sleeping Prince aus dem Jahr 1968 in einem West-Berliner Off-Theater aufwachte, um eine neue Revolte anzuzetteln 1 ein Lenin-Zitat, das in eine bestimmte Richtung wies. Meine persönliche Handbibliothek war in Sachen Lenin ein bisschen dünn bestückt, also schrieb ich die vorläufige Dialogzeile „Wie Lenin schon sagte: ‚Den richtige Mann an den richtigen Ort!'“ ins Libretto und machte mir eine Notiz, in der Bibliothek nach einem passenden echten Lenin-Zitat zu suchen. Leider hatte ich mir die Notiz wohl nur geistig gemacht, denn auf der ersten Leseprobe riss es mich beinahe vom Stuhl, als ich „Den richtigen Mann an den richtigen Ort!“ hörte. Um Himmelswillen, das Platzhalter-Zitat stand immer noch im Libretto. Ich musste sofort… oder wenigstens zeitnah… ganz, ganz bald… in die Bibliothek…

Anders als viele Menschen denken, hat der Autor während der Proben einer Musical-Uraufführung noch jede Menge zu tun, obwohl er das Stück schon Monate vorher scheinbar fertig gestellt hat. Musical ist Team-Arbeit, da arbeiten Regie, Choreographie, Komponist und Autor zusammen, bis das Stück „passt“. „Ich brauche hier noch einen Dialog während der ersten 8 Takte des Intros.“ – „Hier muss noch ein Mittelteil hin, so 4 Zeilen, möglichst ABAB, kannst du das mal schnell machen?“ – „Die Pointe geht im Musikeinsatz unter. Können wir was machen wie Pointe-Lacher-Überleitung?“ – „Der Gag ist schön,. funktioniert aber nicht. Ich mach einen neuen…“ Man schreibt während der Proben beinahe mehr als am Schreibtisch2 Wie dem auch sei, ich vergaß das Lenin-Zitat, bis ich es auf der 1. Hauptprobe wieder hörte: „Den richtigen Mann an den richtigen Ort!“

Mist. Immer wieder vergessen. Jetzt noch den Text des Schauspielers ändern und eventuell sein Nervenkostüm ruinieren? Keine Option! Außerdem hatte der Satz einen so schönen Rhythmus… Den würde ein korrektes Zitat vermutlich kaputt machen… Ach, was soll’s. Das Ding bleibt drin. Vielleicht merkt’s ja keiner.

Es merkte tatsächlich keiner, obwohl das Stück mehrfach nachgespielt wurde. Im Gegenteil, in zwei Kritiken wurde ich ausdrücklich für meine intimen Lenin-Kenntnisse gelobt, weil ich eben nicht auf das sattsam bekannte „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“- das in dieser Forum übrigens auch nicht von Lenin ist – ausgewichen war. Ich schämte mich ein bisschen.

  1. ja, es war ein ziemlich fetziges Stück
  2. Die besten Pointen fallen einem immer kurz vor der Generalprobe ein. Wirklich.

Yuppi Du ist wieder da!

https://youtu.be/1_s81D0SWig

Soeben hat mich ein Mitstreiter der „Verdammt nochmal, Celentano, bring endlich Yuppi Du auf DVD raus!“-Bewegung darauf aufmerksam gemacht, dass ein Wunder geschehen ist: Yuppi Du erscheint am 28. August hierzulande auf DVD, inkl. deutscher Synchro. Das bedeutet, dass einer der meist kommentierten und am häufigsten gegoogleten Beiträge dieser Website obsolet wird, aber das ist mir sowas von mumpe: Yuppi Du non e‘ morta, e‘ ritornata dal canal!

Nachtrag 2. 9. 2015:
Die DVD ist mittlerweile bei mir angekommen. Ich kann Sie leider nur Menschen empfehlen, die „Yuppi Du“ so dringend wiedersehen wollen, dass Sie dafür eklatante technische Mängel in Kauf nehmen wollen. Auf der DVD befinden sich keine Extras, nur der Film in deutscher Synchronfassung. Die auf der amazon-Seite beworbene italienische Sprachversion ist NICHT auf der DVD. Die Bildqualität ist schlichtweg unterirdisch. Offenbar wurde hier eine total heruntergerockte 35mm-Verleih-Kopie abgetastet und auf DVD gebrannt. Der Film ist durchgehend stark „verregnet“ (schwarze Streifen), einige Szenen sind nicht komplett. Wieso man diesen Weg gegangen ist und keine DVD auf Basis der 2008 für die Filmfestspiele Venedig aufwendig restaurierten Kopie erstellt hat, ist mir ein komplettes Rätsel.