Das Zumwinkel-Protokoll

Der Fall Klaus Zumwinkel hat mir keine Ruhe gelassen. Mir wollte einfach nicht in den Kopf, dass ein Mann, der bei seinem Handeln derart die Tugendhaftigkeit in den Vordergrund stellt und selbst einen dermaßen frugalen Lebensstil pflegt, dass er noch nicht mal den Steuerfreibertrag für Kleinsparer erreicht, Auslöser des größten Steuerskandals in der deutschen Geschichte wird. Und mein Glaube an Klaus Zumwinkels Integrität wurde belohnt. Anonyme Informanten haben ein Telefonprotokoll aus einem toten Briefkasten der Telekom geborgen und mir zugespielt, aus dem eindeutig hervor geht, dass Klaus Zumwinkel nicht Täter sondern Opfer von gewissenlosen Telefonmarketing-Praktiken geworden ist. Ich veröffentliche nachfolgend das hochbrisante Transkript im Wortlaut:

„Zumwinkel, hallo!“
„Tach, Herr Zumwinkel, hier Dubiosius von der LGT-Bank Liechtenstein, haben Sie mal ’ne Minute?“
„Eigentlich nicht, lieber Herr Dubiosius, das tut mir leid. Ich muss schnell zur Postbank, die Überweisungen für wohltätige Zwecke abgeben…“
„Tja, eigentlich wollte ich mit Ihnen ein paar zukunftsträchtige Anlagestrategien…“
„Anlagestrategien? Ich fürchte, das kommt für mich nicht in Frage. Ich lege mein Geld nicht an.“
„Bitte? Sie… Sie sind doch DER Zumwinkel? Der Post-Oberpropeller? Der Milliarden-Flipper?“
„Nun ja, ich habe die genannte Position inne. Aber wissen Sie, eigentlich bedeutet Geld mir nichts.“
„Entschuldigung, Herr Zumwinkel, aber die Post schießt Ihnen doch jeden Monat reichlich Asche aufs Giro, die ganzen Nebengeräusche von Ihren Aufsichtsrats-Mucken kommen noch dazu… was machen Sie denn mit dem ganzen Zaster?“
„Das spende ich für wohltätige Zwecke. Ich selbst lebe sehr bescheiden, wenn Sie sich mal meine Steuererklärungen angucken, im letzten Jahr bin ich knapp unterm Sparerfreibetrag geblieben, dies Jahr war ich leider knapp drüber…“
„Unglaublich.“
„Wissen Sie, es gibt soviel Armut und Not auf der Welt, da spende ich gern. Und für mich brauch ich ja nichts. Ich hab ’ne Dienstwohnung, mittags ess ich in der Kantine, und abends machen meine Frau und ich uns ein Brot in der Wohnküche…“
„Beknack… bewunderungswürdig. Das bringt mich auf eine Idee: Sagen Sie, wissen Sie, wo in der Welt die Armut und Not am größten ist?“
„Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Afrika? Afghanistan? Wie wollen Sie das bemessen?“
„Die größte Not herrscht bei der LGT-Bank in Liechtenstein.“
„Herr Dubiosius! Wollen Sie mich foppen?“
„Aber nein, Herr Zumwinkel! Der Regierende Fürst von und zu Liechtenstein hat doch die LGT-Bank gegründet, um Not und Armut in der Welt zu lindern. In unseren Geschäftsstatuten steht, dass wir einhundertfünfzig Prozent unseres Gewinns an die Armen und Bedürftigen der Welt spenden müssen.“
„Einhundertfünfzig Prozent? Das geht doch gar nicht! Das ist betriebswirtschaftlicher Irrsinn. Wie ist dieses Statut zustande gekommen?“
„Der Regierende Fürst ist ein großer Philanthrop aber ein miserabler Kopfrechner.“
„Tja. Sowas soll’s geben. Tragisch.“
„Und deshalb sind wir nun auf Spenden angewiesen, um Monat für Monat auf diese 150 Prozent zu kommen.“
„Das hab ich noch nie gehört, dass man einer Bank etwas spenden kann.“
„Eben weil es das nur bei der LGT-Bank gibt. Welche andere Bank schüttet denn 150 Prozent ihres Gewinns an die Bedürftigen aus?“
„Hmmm. Das klingt logisch. Sagen Sie, wie kann man denn Ihrer Bank etwas spenden?“
„Das ist ganz einfach. Sie eröffnen bei uns ein Konto, zahlen darauf den Betrag ein, den Sie spenden wollen, und damit ist der Fall für Sie erledigt.“
„So einfach geht das? Das hätte ich nicht gedacht… “

Und wer hat’s rausgekriegt? Die Liechtensteiner? Die Schweizer? Nein! Die Netzecke!
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