Splitterbrötchen (CCXXIV)

Vor fast 4 Jahren reminiszierte ich auf diesen Seiten  den „Schnarchsack der Woche“, eine sich aus dem Titel erklärende Serie, die ich mal für eine Radiosendung gemacht habe. Würde ich diese Reihe immer noch machen, wäre MdB Hans-Christian Ströbele ein ganz heißer Kandidat für eine lobende Erwähnung: Nicht nur dass er zugelassen hat, dass seine werte Gattin einen Dreizehnjährigen anzeigt, er hat auch noch dass Heddesheimblog, das darüber berichtete, abgemahnt. Um Himmelswillen, Herr Ströbele! Ich weiß, dass Sie mit dem Internet nicht so ganz auf Du sind, aber irgendwer in ihrem Büro MUSS doch die Begriffe „Streisand-Effekt“ und „Shitstorm“ und den Zusammenhang zwischen beiden kennen.

Das Zitat der Woche stammt natürlich von einem anderen Fiktionär, dem Baron Münch Freiherr zu Guttenberg: „Ich wusste offensichtlich später auch nicht mehr, an welchem Text ich selbst bereits gearbeitet hatte, welcher Text mein eigener und welcher möglicherweise ein Fremdtext war.“
Also, Freiherrchen, die Problematik ist mir nicht fremd. Ich hab jahrelang Kabarett-Texte für ein Stuttgarter Theater geschrieben, am Schluss hab ich immer eine Volltext-Suche auf meiner Festplatte gemacht, um sicherzugehen, dass ich ein Thema oder eine Idee nicht schon mal verwurstet hatte, aber so weich in der Birne, dass er eigene von fremden Texten nicht mehr unterscheiden kann, ist kein Autor dieser Welt. Obwohl, die Vorstellung, wie Sie ihrer Stephanie einen Band mit Shakespeare-Sonetten hinhalten und sagen: „Sag mal, Darling, ich bin mir plötzlich ganz unsicher, ist das von mir oder doch von wem anders?“ – doch, diese Vorstellung hat was.

Ach ja, uns weismachen, dass er bis 2006 mit Disketten rumgefummelt haben will, will z. G. auch noch. Dass ausgerechnet die ZEIT (Wissenschaft!) diesem Schmierenkomödianten eine Plattform bietet, irritiert.

Mindestens ebenso irritierend sind die dauernden Forderungen nach einer Kontrolle der Finanzmärkte durch die Politik. Liebe Kontrollfreaks, schaut auf Berlin: da haben es die Volksvertreter jahrelang nicht hingekriegt, die Griller im Tiergarten dazu zu bringen, ihren Müll wegzuräumen. Wie sollen Flachpfeifen, die nicht genug Autorität haben, um einfache Hobby-Brutzler zu beeindrucken, irgendwelche amoklaufenden Banker zur Raison bringen?

 

Splitterbrötchen (CCXXIII)

Lange haben die Fans warten müssen, lange haben es Kai Diekmann und seine Redaktionsmannschaft nicht geschafft, eine Schlagzeile zu kreieren, die ich zur „Headline der  Woche“ küren konnte. Diese Woche haben sie sich mit dem Kleinod „Porno-Klaus: Hüttenkäse macht mich geil!“ eindrucksvoll zurückgemeldet.  Klasse, Jungs: Über euch ist nur der Himmel!

Das Ereignis der Woche ist natürlich die Eröffnung des Blogs der geduldigsten Gemahlin von allen. Fünf Super-Beiträge in einer Woche… da stinkt die Netzecke gewaltig ab.

Bei der gestrigen Tagesspiegel-Lektüre blieb für mich kurzzeitig die Zeit stehen, nämlich als ich in einem Beitrag über eine Demo gegen Tierquälerei in der Ukraine den Satz „Mit so reger Teilnahme hatten die Organisatoren wohl nicht gerechnet – es gibt nicht genug Plakate für alle.“ las. Äh, kann das sein? Erwarten Demonstranten heutzutage wirklich, dass ihnen Materialien zum Ausdruck ihres Protests gestellt werden?

Beim Zitat der Woche bin ich unschlüssig. Favorisiere ich „Oranje hat Dienstagabend sein Ansehen in der Fußballwelt mit einer so verpfuschten Partie besudelt, wie sie in den letzten Jahren nur selten gezeigt wurde. Deutschland war ein harmonisches Orchester, die Niederlande eine angetrunkene Blaskapelle ohne Dirigenten.“ aus der niederländischen Zeitung „Volkskrant“, oder ist  “Flankenpass von Kroos, aus dem Fußgelenk über dreißig Meter, so elegant, dass Günter Netzer und Bernd Schuster auf der Tribüne weinend Lambada tanzen“ aus dem Liveticker von 11Freunde einen Tick schöner?

 

Splitterbrötchen (CCXXII)

Interessant: Schnapszahlen sehen auch in römischen Ziffern ein wenig schnapsig aus.

Als ich diese Woche mal wieder in einem „Mehrzweckraum“ ein Hotelfrühstück einnahm, fiel mir auf, dass ich noch nie in einem Mehrzweckraum gewesen bin, in dem ich mich auch nur ansatzweise wohlgefühlt hätte. Der auch nur ansatzweise irgendwie angenehm gewesen wäre. Der auch nur ansatzweise so etwas wie Charakter oder Atmosphäre gehabt hätte. Trotzdem mieten täglich tausende von Menschen solche Räume an, um dort die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens zu feiern: Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen… Wir sind wohl wirklich nicht mehr zu retten.

Krimi-Entdeckung der Woche: Schneller als der Tod von Josh Bazell. Ja, ich weiß, ich bin spät dran, trotzdem ge-ni-al. Höchst amüsant. Allerdings nix für Zartbesaitete.

Krimi-Wiederentdeckung der Woche: Mickey Spillane. Den hab ich vor zwanzig Jahren schon mal gelesen, „Naja, so lala, verstehe die Aufregung nicht“, gedacht und ad acta gelegt. Jetzt les ich ihn zum ersten Mal im englischen Original und denke „Boah, ein ganz Großer!“ Die Übersetzungen aus dem Englischen, die einige deutsche Verlage vor zwanzig, dreißig Jahren auf den Markt gebracht haben, hätten auf den Müll gehört.

Wo wir beim Thema sind: Rex Stout könnte man auch mal wieder lesen.

Splitterbrötchen (CCXXI)

Ein Kommentar zu den letzten Splitterbrötchen, hat mich dazu gebracht, darüber nachzugrübeln ob es einen Unterschied zwischen „Grandeur“ und „Grandezza“ gibt. Ich hab extensiv nachgegooglet und keinen gefunden. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es einen gibt. Grandezza ist wesentlich operettenhafter als Grandeur.

Neuzugang in der Blogroll: „september-blog„. Übers Älterwerden. Hilfreich und schön.

Dialog beim Anschauen einer romantischen Komödie: „Ich  würde Hugh Grant gern einmal als Richard III. sehen.“ – „Mir ist egal, als was ich den sehe.“

Die Statusmeldung der Woche verdanken wir Steffen Hellmann: „Hab beim Bäcker die Kunst getroffen. Meine Ex-Nachbarin, Bettina Kunst, kaufte Brötchen und Klöben.“

 

 

Splitterbrötchen CCXX

Das Zitat der Woche stammt von Vince Ebert:  „Das (Homöopathie) ist, als ob man in Frankfurt einen Autoschlüssel in den Main wirft und dann in Würzburg versucht, mit dem Mainwasser das Fahrzeug zu starten.“

Neuheit bei Facebook: Man kann jetzt jemand inviten, um eine Seite zu liken. Ganz groß.

Ganz plötzlich fiel mir gestern Abend ein sympathischer Claim für meine nordhessische Heimatstadt ein. Auch heute morgen finde ich ihn noch gelungen und vor allen Dingen äußerst treffend. Ich veröffentliche ihn daher gerne hier und stelle ihn der Stadt und ihrem Tourismus-Management ausdrücklich gratis zur Verfügung: „Eschwege – Home is where the Worscht is!“

Es ist wirklich schade um ein dem Französischen entlehntes Wort, das einmal Bestandteil der deutschen Sprache war. Wir benutzen es nicht mehr, sicherlich weil es die Menschen nicht mehr gibt, die man mit diesem Wort in Verbindung bringen konnte. Grandeur.

 

Splitterbrötchen (CCXIX)

Kaum zu glauben, aber diese Woche war ich zum ersten Mal – dank einer großzügigen Einladung der geduldigsten Gemahlin von allen – Eishockey-Gucken in der Berliner O2-World. Beeindruckende Kulisse, tolle Atmosphäre, und Hardcore-Fans, die in dieser Hightech-Arena „Ost-, Ost-, Ost-Berlin“ skandieren,  sorgen sogar für beinahe theatrale Verfremdungseffekte.

Auf youtube nach Jahrzehnten wiedergehört: die Titelmelodie von „Am Fuß der blauen Berge“ („Laramie“ im Original). Zaubert immer noch zuverlässig ein vorfreudiges Grinsen in mein Gesicht.

Die Welt der Facebook-Spiele ist groß und bunt. Da ist sogar Platz für Angebote mit erschütternd aussagekräftigen Titeln wie „Schieß Panzer! Boom!“

Den Verriss der Woche schuf der höchst geschätzte Denis Scheck, der einen Thriller Autor in einem einzigen, wunderbaren Satz vernichtete: „Hätte Jussi Adler-Olsen die Aufgabe, einen Notausgang zu beschriften, keiner käme lebend raus.“1

Ärgerlich wie immer das Gehabe der UEFA und ihres willfährigen Nickdackels Theo Zwanziger. Rauchverbot in den EM-Stadien, kein Biersponsor mehr für die Nationalmannschaft… Herrgottsack, Fußball ist unterhaltsamer Sport, mehr nicht. Für die Heilung der Gesellschaft sind andere zuständig.

  1. Dabei les ich die Adler-Olsen-Romane ganz gerne…

Splitterbrötchen (CCXVIII)

Was mir mit zunehmendem Alter immer mehr auf den Senkel geht: Leute, die Professionalität mit Wurschtigkeit verwechseln.

Der Unterschied zwischen „wichtig sein“ und „sich wichtig machen“ ist vor allen Dingen für Menschen, die sich gern wichtig machen, praktisch nicht zu erkennen.

Das Verbot ist der Zufluchtsort des Hilflosen.

Im Falle von „Mad Men“ habe ich schlappe vier Wochen von „Was soll der Scheiß?“ bis zu „Darf keine Folge mehr verpassen.“ gebraucht.

Der Commander kehrt zurück

Im Februar hatte „Last Commander Standing„, eine Rock-Show, deren Buch ich geschrieben habe, in Berlin Premiere. Die Veranstaltung(en) waren recht erfolgreich, so dass Commander Jack Chickenhunter zurückkehrt, um die Wünsche seines Publikums zu erfüllen. Und diesmal ist auf der Bühne auch ein rundlicher, älterer Herr dabei, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Netzecken-Inhaber hat.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=bL__8M_4p9c[/youtube]

Vom 13. bis 15. Oktober läuft die Show jeweils um 20 Uhr im Café Schalotte1 in Charlottenburg. Wer straighten Gitarrenrock mag, Rhythmen jenseits der 4/4 mit Misstrauen begegnet und extreme Lautstärken schätzt, sollte einen Besuch in Erwägung ziehen.

  1. Da hab ich vor dreißig Jahren „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ gespielt. Und vor 25 Jahren „Die Kurve“ von Tankred Dorst. Scheiße, bin ich alt.

Splitterbrötchen (CCXVII)

Ungewöhnlich viele Frauen scheinen sich bei der Namenswahl für ihre Kinder total zu verhauen. Und weil sie dann mit den standesamtlich eingetragenen Namen total unzufrieden sind, sagen sie nur noch „Mäuschen“ zu den Kleinen. Ach je.

Der Spam der Woche erfreute mich mit der erhellenden Nachricht: „Sie haben diese Email erhalten, weil Ihre E-Mail-Adresse hat zuvor in dafür entschieden, unsere Updates zu erhalten.“

Scheißtag der Woche war der Donnerstag: Steve Jobs starb und die Stockholmer verweigerten mir erneut den Literaturnobelpreis.

Seit Jobs gestorben ist, weigert sich iTunes, meinen iPod wiederzuerkennen. Ich finde, Apple übertreibt.

 

Splitterbrötchen (CCXVI)

Irgendwann hab ich mir mal geschworen, diesen Alten-Sack-Satz „In meinem Alter muss ich das nicht mehr verstehen!“ nicht bzw. nicht mehr zu sagen. Gestern habe ich den Schwur gebrochen, als ich von den rauschenden Abschiedsparties las, die in der Hamburger U-Bahn gefeiert wurden, bevor Alkoholgenuss dortselbst mit Bußgeld geahndet wird. Kann mir irgendwer erklären, was so toll daran ist, in der U-Bahn lauwarmes Flaschenbier zu trinken?1 Schon als Jugendlicher habe ich Lokale bevorzugt, die sich erst zu bewegen begannen, wenn ich einiges intus hatte.

Apropos alter Sack: An Marcel Reif scheiden sich ja die Geister. Ich hab ihn als Fußballkommentator meistens sehr geschätzt, aber Bayern-ManCity am letzten Dienstag ging gar nicht. Komplett den Wendepunkt der Partie verpasst und mindestens eine halbe Stunde gebraucht, um zu merken, dass das Spiel sich gedreht hatte. Vielleicht doch mal über den Ruhestand anchdenken, Marcel? Fußball gucken ohne ständig mitsprechen zu müssen, wäre doch mal eine schöne Abwechslung.

Die Blogroll um zwei ganz fantastische Links erweitert: Die Retronauten und Pour 15 minutes d’amour. Jeweils eine dicke Empfehlung.

Der schlimmste Holzweg ist der, an dessen Ende man „Und ich hab doch recht gehabt!“ sagen kann.

 

  1. Ja, ich weiß, dass viele Jugendliche das tun, um Geld zu sparen.